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Überflüssig, in Bern hängig, schlechte Erfahrungen: FDP-Forderung für vollständige Strommarkt-Liberalisierung knapp gescheitert

Freie Wahl des Stromlieferanten für alle, tiefere Preise und mehr Versorgungssicherheit: Das würde eine vollständige Strommarkt-Liberalisierung laut FDP bringen. Viele im Grossen Rat sahen diese Vorteile, sprachen sich aber gegen eine Standesinitiative des Kantons Aargau mit dieser Forderung aus.

Ab dem Jahr 2024 ist der Aargau der zweitteuerste Kanton, wenn es um den Strompreis geht. Die FDP ist sicher, dass eine vollständige Liberalisierung des Marktes den Strom günstiger machen würde. Die Freisinnigen wollen, dass künftig auch private Stromverbraucher ihren Anbieter frei wählen können. Deshalb solle der Aargau das nationale Parlament mit einer Standesinitiative auffordern, den Markt zu liberalisieren.

FDP-Energiepolitiker Adrian Meier (FDP) sagte im Grossen Rat, eine vollständige Strommarkt-Liberalisierung trage auch zu einer sicheren Versorgung bei. Im Winter müsse die Schweiz viel Strom importieren – dafür sei künftig ein Stromabkommen mit der EU nötig, Voraussetzung dafür sei wiederum eine Marktliberalisierung in der Schweiz. Die Diskussion müsse jetzt geführt werden, deshalb brauche es eine Standesinitiative aus dem Aargau.

Bedenken wegen EWs: einmal Ja, einmal Nein

Daniel Notter (SVP) fragte rhetorisch, wer bei Wahlfreiheit, niedrigeren Preisen und Versorgungssicherheit schon Nein sagen könnte. Doch ob dies alles bei einer Strommarkt-Liberalisierung eintreten werde, lasse sich nicht voraussagen, fügte er an. Die SVP habe zudem Bedenken wegen möglicher Auswirkungen auf die Aargauer Energieversorger, stimme aber dennoch zu, sagte Notter.

Auch Mitte-Sprecher Ralf Bucher sagte, seine Fraktion sei eher skeptisch, weil eine Strommarkt-Liberalisierung für die rund 100 Elektrizitätswerke im Aargau schwierig werden könnte. Man anerkenne die Bedeutung eines Stromabkommens mit der EU. Ob dafür eine Marktliberalisierung nötig sei, sei aber offen. Die Liberalisierungsfrage werde in Bern ohnehin diskutiert, die Standesinitiative brauche es dafür nicht, sagte Bucher.

GLP für Liberalisierung, Grüne zumindest offen

Gian von Planta sagte, die GLP sei für eine Liberalisierung. Diese hätte den Vorteil, dass Aargauer EWs ihren Strom auch in der EU verkaufen könnten. Die Konsumenten hätten mehr Wahlfreiheit, die Versorgungssicherheit würde gestärkt – dennoch ist die GLP gegen die Standesinitiative. Dieses Instrument sei nur angebracht, wenn ein Kanton speziell betroffen sei. Dies sei beim Strom nicht der Fall, die Axpo sei eine überkantonale Firma, es gebe auch ausserhalb des Aargaus grosse Kraftwerke.

Jonas Fricker (Grüne) sagte, man dürfe das Fuder nicht überladen, deshalb sei im Bundesparlament beim sogenannten Mantelerlass Energie die Strommarkt-Liberalisierung ausgeklammert worden. Die Grünen seien offen für die Diskussion über die Liberalisierung, diese müsse aber national geführt werden. Dies werde in Bundesbern ohnehin in nächster Zeit stattfinden, das Thema sei bei den Kommissionen auf dem Tisch, deshalb sei die Standesinitiative überflüssig.

SP nennt Bedingungen, EVP schlechte Erfahrungen

Martin Brügger (SP) ist Elektroingenieur und sagte, der Aargau solle als Energiekanton bei Stromfragen eine Stimme haben. Aber auf Bundesebene werde dies schon diskutiert, die energiepolitischen Pflöcke würden in Bern eingeschlagen. Zudem könne man nicht einfach den Markt liberalisieren, dies müsse aus Sicht der SP an Bedingungen geknüpft werden. Brügger nannte klimapolitische Ziele und die Forderung, dass grosse Kraftwerke im Besitz der öffentlichen Hand sein müssten.

Roland Frauchiger sagte, die EVP sehe keine Notwendigkeit für eine Standesinitiative. Die Strommarkt-Liberalisierung sei Sache der Parlamentarier in Bern – dort werde aber reguliert, kritisierte er. Wichtig wäre es, diese bestehenden Regulierungen zu lockern. Frauchiger sagte weiter, mit der Liberalisierung hätten zum Beispiel Bäckereien schlechte Erfahrungen gemacht. Weil die Stromkosten im freien Markt rasch stiegen, seien diese in finanzielle Schwierigkeiten geraten.

Bei der Abstimmung wurde es dann relativ knapp: Der Antrag der FDP für eine Standesinitiative fand mit 57 Ja- zu 68 Nein-Stimmen keine Mehrheit.