
Wie aus dem Judoka ein «Strassenhandballer» wurde und warum ihn die tunesische Hymne nicht kalt lässt
Sein Vater sagte einst zu ihm: «Wenn du Karriere machen willst, solltest du dem Judo treu bleiben. Da bist du besser als im Handball.» Heute sitzt Mehdi Ben Romdhane als Handball-Nationalspieler in einem Café in Silkeborg, wo die Nati während der WM logiert, und kann über diese Episode aus seiner Jugend lachen. Besonders, weil sein Vater selbst Handballer war und heute immer noch als Schiedsrichter aktiv ist.
Mehdi Ben Romdhane hat vieles ausprobiert. Fussball, Handball, Basketball oder eben auch Judo. Darin sei er auch richtig gut gewesen, weil er grösser und stärker war als seine Konkurrenten. Weil er aber den Ball in den Händen braucht, entscheidet er sich für den Handballsport.
Weil er angekratzt ist, wird er zum Garant für den Sieg gegen Polen
Vor der WM hat Nationaltrainer Andy Schmid den 23-jährigen Westschweizer als Strassenhandballer bezeichnet. Was andere als Beleidigung sehen würden, fasst Ben Romdhane als Kompliment auf. «Wenn ich nicht wie die anderen Spieler bin, dann ist es für mich etwas Gutes.»
Beim 30:28-Sieg gegen Polen, der die Schweiz in die WM-Hauptrunde befördert, ist der Rückraumspieler einer der Schlüssel zum Erfolg. Als er nach 44 Minuten eingewechselt wird, ist er angekratzt. Weil er in den beiden Spielen zuvor nicht so performt, wie er das von sich verlangt und weil er im entscheidenden Spiel so lange von draussen zuschaut. Doch der Strassenhandballer weiss seine Schnelligkeit, das Unberechenbare vorzüglich einzusetzen. Die polnische Defensive bekommt ihn nicht in den Griff.

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Ben Romdhane über die spezielle Affiche vom Dienstag: «Bin auch Tunesier»
Nun geht es in der Hauptrunde gegen Weltmeister Dänemark, Italien und Tunesien, Ben Romdhanes zweite Heimat. Sein Vater stammt aus Nordafrika, lernt die Mutter von Mehdi kennen, als diese dort in den Ferien ist. Nach einigen Diskussionen entscheidet sich das Paar für den Wohnsitz in der Schweiz. Ben Romdhane und seine drei Geschwister wachsen in Lausanne auf.
Obwohl er schon zum dritten Mal gegen Tunesien spielen wird, ist die Affiche für ihn speziell. «Ich bin auch Tunesier.» Er ist der Sprache mächtig, verbringt jedes Jahr die Sommerferien dort, die ganze Familie seines Vaters lebt nach wie vor in Tunesien.
Für das Heimatland seines Vaters zu spielen, sei aber nie eine Option gewesen, erzählt Ben Romdhane. Auch bezüglich der Hymne gibt es für den Doppelbürger keine Diskussionen:« Ich habe die Schweizer Hymne immer gesungen und werde sie auch gegen Tunesien singen.» Im gleichen Atemzug gibt er zu, dass er einen Teil der tunesischen Hymne könne und es für ihn speziell sei, wenn diese gespielt werde.
Lob vom Trainer und die Suche nach Verantwortung im richtigen Moment
Nach dem Spiel gegen Polen gab es von Nationaltrainer Andy Schmid ein dickes Lob für Ben Romdhane: «Er hat das Herz in beide Hände genommen und uns zurück ins Spiel gebracht. Er hat gezeigt, warum er einer unserer besten Spieler ist.»
Der 23-Jährige, der mit 16 in die Handballakademie nach Schaffhausen gewechselt hat, ohne Deutsch zu können, befindet sich also auf dem richtigen Weg. Er liebäugelt auch mit einem Auslandtransfer. Ob es im Sommer oder erst in zwei Jahren dazu kommt, spielt für ihn keine Rolle.
Ben Romdhane sagt, er wolle sich weiterentwickeln, die richtigen Momente finden, um Verantwortung zu übernehmen und zuerst einmal am Dienstag gegen Tunesien (15.30 Uhr) gewinnen. Nationaltrainer Schmid ist derweil froh, dass er den Strassenhandballer im Team hat und dieser damals nicht auf seinen Vater gehört hat.
Die Hauptrunde kurz erklärt
Die Schweiz ist zusammen mit Deutschland und Tschechien in die Hauptrunde der Handball-WM eingezogen. Dort trifft man in einer neuen Sechsergruppe auf Dänemark, Italien und Tunesien.
Die Teams nehmen die Punkte mit, die sie in der Vorrunde gegen die Gegner geholt haben, die jetzt ebenfalls in der Hauptrunde stehen. Die Schweiz wie auch Tschechien starten mit einem Punkt, Deutschland mit deren vier. Ebenfalls mit vier Punkten startet Dänemark, die Italiener haben zwei Zähler auf dem Konto, die Tunesier keinen.
Die Schweiz trifft am Dienstag (15.30 Uhr) auf Tunesien, am Donnerstag (20.30 Uhr) auf Dänemark und am Samstag (15.30 Uhr) auf Italien. Die besten beiden Teams der Hauptrunde schaffen den Einzug in den Viertelfinal. Aufgrund der Hypothek von drei Punkten auf Deutschland und Dänemark käme es einem Handball-Wunder gleich, wenn sich die Schweiz unter die besten Acht kämpfen würde.