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Setzt sich an der Klimakonferenz die Öl-Lobby durch? Jetzt keimt Hoffnung

Ausstieg von Kohle, Gas und Öl: Der Abschlussbericht der Klimakonferenz wird nach Protesten nachgebessert. Doch der Ausgang ist offen.

Klima-Veteran Al Gore fand deutliche Worte: «Die Welt muss unbedingt aus den fossilen Energien aussteigen, aber dieser unterwürfige Entwurf liest sich, als hätte ihn die Opec Wort für Wort diktiert.» Die Opec ist die Organisation der erdölexportierenden Länder und Al Gore sprach damit den schlechten Stern an, unter dem die Klimakonferenz in Dubai von Anfang an stand: eine zu enge Verbandelung mit der Öllobby.

Im ersten Entwurf für den Abschlussbericht zur Klimakonferenz wurde der eingeforderte Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas im Entwurf plötzlich gar nicht mehr erwähnt – anders als in vorherigen Fassungen.

Dabei hatte es lange gutausgesehen für den Beschluss zum Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl. Wie kam es zu dieser Wende in den Verhandlungen?

Eine grosse Mehrheit der UN-Staaten stand von Anfang an überraschend geschlossen hinter dem Vorhaben: Über 100 Staaten forderten den Ausstieg aus fossilen Energien. Dazu gehörte nicht nur die EU, sondern auch afrikanische und südamerikanische Staaten. Und sogar die USA zeigten sich kompromissbereit. Auf der anderen Seite galt vor allem Saudi-Arabien als möglicher Spielverderber, aber auch China, der Irak und Russland leisteten Widerstand.

Die Vorzeichen waren gut, die Hoffnungen gross

Trotzdem: Die Aussichten verleiteten sogar die Umweltorganisation Greenpeace noch vor zwei Tagen zu dem Satz: «Wir sind nah dran, hier Geschichte zu schreiben». In der ersten Version des Verhandlungsdokuments, das am Ende der Klimakonferenz von den teilnehmenden Staaten unterschrieben werden soll, stand der Ausstieg – zumindest als eine von möglichen Optionen – drin. Eigentlich schien es nur noch um die Formulierung zu gehen.

Angesichts der Ausgangslage wurde der neue Entwurf deshalb mit Spannung erwartet. Doch im 21-Seiten-Papier, das am Montag von Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber veröffentlicht wurde, wurde der Begriff «Ausstieg» («phase-out» oder «phase-down») gestrichen. Stattdessen hiess es, die Länder sollten den Verbrauch und die Produktion fossiler Brennstoffe reduzieren.

Was ist am Montag passiert?

Die Saudis haben offenbar während des Treffens darauf bestanden, dass sich das Dokument auf den Umgang mit Emissionen und nicht auf fossile Brennstoffe beziehen sollte. Von Anfang an hatte es viel Kritik daran gegeben, dass Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber gleichzeitig Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc ist, und dass gut 1400 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas offiziell akkreditiert wurden.

Die Reaktionen fielen teilweise äusserst scharf aus. Manche Verhandler an der Konferenz gaben sich konsterniert – viele aber auch kämpferisch. Der Chefverhandler der EU, Wopke Hoekstra, hat ein vernichtendes Urteil über den aktuellen Textentwurf für die Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz gefällt: Der Text sei «eindeutig unzureichend und nicht dazu geeignet, das Problem zu lösen, das wir hier angehen wollen». Der Chef-Verhandler der vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Marshall-Inseln, John Silk, sagte, man sei nicht nach Dubai gekommen, «um unser Todesurteil zu unterschreiben».

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, sagte, er sei «wirklich fassungslos», dass der Entwurf die Wünsche und Interessen der Öl- und Gasindustrie bediene, aber nicht der Menschen, die jetzt schon unter den Überschwemmungen und Dürren am meisten litten. Gerade beim Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, die über 100 Staaten eingefordert haben, sei der Entwurf sehr unverbindlich.

«Er kann, wenn er so verabschiedet wird, diese Konferenz zum Scheitern bringen», warnte Kaiser. Jetzt liege es an den EU-Aussenministern, gemeinsam mit den Inselstaaten und den am meisten verwundeten Staaten dafür zu sorgen, «dass diese Unverbindlichkeit aus dem Dokument wegkommt» und es einen verbindlichen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gebe.

Konferenz geht in die Verlängerung

Auch deshalb ging die Konferenz gestern in die Verlängerung, wie das schon an früheren Klimakonferenzen geschah.

Oxfam-Experte Jan Kowalzig kritisierte zudem, in dem Textentwurf fänden sich sogar die anderen angestrebten Ziele – eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienz – nicht als Ziel wieder, sondern nur als mögliche Massnahme. «So darf die COP28 nicht enden», warnte er. Das 2015 in Paris vereinbarte Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, werde mit diesem Entwurf «wohl aus dem Fenster geworfen». Auch Kowalzig forderte, die Europäische Union dürfe der Erklärung in keinem Fall zustimmen und müsse erhebliche Nachbesserungen einfordern.

Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock gab sich kämpferisch: «Was wir nicht tun werden, ist, vor denen einzuknicken, die alle Mittel haben – insbesondere finanzielle.» Auch UN-Klimachef Simon Stiell pochte auf Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung. «Jeder Schritt weg von den höchsten Ambitionen kostet unzählige Millionen Menschenleben – und zwar nicht im nächsten politischen oder wirtschaftlichen Zyklus, sondern bereits jetzt, in jedem Land.»

Al-Suwaidi gibt sich kompromissbereit

Der Generaldirektor der Konferenz, Madschid Al-Suwaidi, sagte nach den empörten Reaktionen, die Kritik habe man erwartet. «Tatsächlich wollten wir, dass der Text Gespräche anregt – und genau das ist passiert.» Über Nacht habe man bis in den frühen Dienstagmorgen Feedback eingesammelt.

Nun wolle man «nach Möglichkeit» auch Formulierungen zu fossilen Brennstoffen in den Text aufnehmen. «Das wäre historisch», so Al-Suwaidi. Doch liege die Verantwortung am Ende bei den Regierungsdelegationen, die Einstimmigkeit herstellen müssten, fand Al-Suwaidi. (dpa/lak/kus)