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«Die Zeit ist reif»: Bischof Felix Gmür fordert Abschaffung der Zölibatspflicht – das sagt der Papst dazu

Der oberste Katholik der Schweiz reagiert auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche: Felix Gmür will die Pflicht zum Zölibat abschaffen. Auch der Papst zeigte sich zuletzt nicht vollkommen abgeneigt davon, die Zölibatspflicht zu lockern. 

«Wenn ein Zeichen nicht mehr verstanden wird, muss man es hinterfragen. Das ist für mich sonnenklar. Die Zeit ist reif, die Zölibatspflicht abzuschaffen.» Er habe überhaupt kein Problem damit, sich verheiratete Priester vorzustellen, sagt Bischof Felix Gmür.

Zwar zeigte sich der oberste Katholik der Schweiz schon vor Jahren zuversichtlich, dass die Zölibatspflicht dereinst gelockert werden könnte. Doch nie zuvor hat Bischof Felix Gmür in dieser Klarheit öffentlich gefordert, den Zölibat fallen zu lassen und Priester von der «vollkommenen und immerwährenden Enthaltsamkeit» zu befreien, wie es in Kapitel 3 des kanonischen Rechts beschrieben wird. Nun wagt sich der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» aus der Deckung.

Mit seiner Forderung nach der Abschaffung der Zölibatspflicht reagiert Gmür auf die kürzlich bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Eine Studie der Universität Zürich zeigt: Seit 1950 sind über 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch dokumentiert. Die Forschenden gehen davon aus, dass diese Zahl nur einen Bruchteil der tatsächlich erfolgten Übergriffe ausmacht.

Welche Rolle spielt der Zölibat?

Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt: Wird die Kirche von einem Missbrauchsskandal erschüttert, kommt unweigerlich der Pflichtzölibat aufs Tapet. Wie Bischof Felix Gmür im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag» erklärt, soll in einem zweiten Teil der Studie geklärt werden, ob «beispielsweise der Zölibat ursächlich verantwortlich ist für die Problematik». Oder ob die Enthaltsamkeit Leute anziehe, «die ein Problem auf dieser Ebene haben».

In einem Interview mit dieser Zeitung verwies der forensische Psychiater Frank Urbaniok jüngst darauf, dass es «zu kurz greift, wenn man die Missbrauchsfälle auf den Zölibat oder eine unterdrückte Sexualität zurückführt». Es sei aber «vorstellbar, dass Personen, die ein Problem mit ihrer Sexualität haben, der Kirche beitreten und glauben, mit dem zölibatären, enthaltsamen Lebensstil sei das Problem gelöst».

Ähnlich äusserte sich gegenüber dieser Zeitung auch der emeritierte Strafrechtsprofessor und Kriminologe Martin Killias: «Der Zölibat zieht Männer mit problematischem Sexualverhalten an.»

Papst Franziskus ist nicht gänzlich abgeneigt

Nicht nur von Bischöfen und Priestern, auch aus der Basis der katholischen Kirche ertönen regelmässig Stimmen, die eine Abschaffung des Zölibats verlangen. Vor einigen Jahren lancierte etwa die Bündner Ordensschwester Florentina Camartin eine Onlinepetition und sammelte über 5000 Unterschriften. In der Folge sendete Camartin die Bittschrift direkt an den Papst. Der Vatikan teilte ihr «im Namen Seiner Heiligkeit mit, dass Ihre Ausführungen zur Kenntnis genommen wurden». Der Heilige Vater schliesse sie in sein Beten ein.

Doch Papst Franziskus hat bis jetzt keine ernsthaften Anstalten gemacht, die Zölibatspflicht zu lockern. Immerhin hat er neulich in einem Interview mit dem argentinischen Nachrichtenportal Infobae den Zölibat als «zeitlich begrenzt» und im Gegensatz zur Priesterweihe «nicht dauerhaft» bezeichnet. Die Frage, ob die Zölibatspflicht überdacht werden könnte, bejahte er.

Dabei verwies Franziskus auch auf die Kirchen im Osten, in denen verheiratete Männer als Priester tätig sein können. In der griechisch-katholischen Kirche gibt es keinen Pflichtzölibat. Davon ist die römisch-katholische Kirche bis jetzt noch weit entfernt. Doch der Druck steigt – auch weil Bischof Felix Gmür nun Klartext spricht.

Priester Sabo kündigt Rückzug an

Franz Sabo ist Priester in Röschenz BL. Im Nachgang an die publik gewordenen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche kursierte auch sein Name wieder in der Öffentlichkeit. Grund dafür sind Vorwürfe von Priester Thomas Pfeifroth. Sabo habe ihn vor 40 Jahren nach einem Beichtgespräch sexuell verführt. Damit habe er ein Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt. Wie nun das Portal kath.ch berichtet, wird Sabo vorerst keine Sonntagsmessen mehr halten. Er werde sich auf unbestimmte Zeit von seinen Verpflichtungen in der Gemeinde zurückziehen. Sabo selbst sagte am Sonntag vor der Gemeinde, er spüre zum ersten Mal Misstrauen.

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