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Kollabiert der Golfstrom schon 2025? Die Folgen wären gravierend

Brechen die Golfströmungen zusammen, hat das Folgen für alle. Laut einer neuen Studie könnte das bereits in wenigen Jahren passieren. Doch Forscher sagen, die Situation sei komplexer als dargestellt.

Der Kollaps des Golfstroms und seines ganzen Systems, genannt Amoc, könnte viel schneller passieren als bisher angenommen. Seit den 60er-Jahren beschäftigt sich die Klimaforschung mit einem möglichen Zusammenbruch der Ozeanströmung. Der Zeitpunkt lag aber immer in ferner Zukunft.

Zu einem anderen Schluss kommen nun zwei dänische Forschende der Universität Kopenhagen. Laut der Statistikerin Susanne Ditlevsen und dem Klimaphysiker Peter Ditlevsen ist der Kollaps nicht nur möglich, sondern steht kurz bevor. Bereits in zwei Jahren könnte es so weit sein, schreiben die beiden in ihrer im Fachmagazin «Nature Communications» veröffentlichten Studie. Und mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit könnten die Golfströmungen zwischen 2025 und 2095 zum Erliegen kommen.

Für die Studie analysierten die Forschenden die Meeresoberflächentemperaturen von 150 Jahren, gesammelt zwischen 1870 und 2020 im Nordatlantik in einem Gebiet südlich von Grönland. Brechen diese Strömungen zusammen, betrifft das den ganzen Planeten. Denn die Amoc spielt eine entscheidende Rolle im Klimasystem und trägt zur Regulierung der globalen Wettermuster bei.

Das Wetter weltweit würde sich verändern

Bei einem Kollaps würde laut dem jüngsten Sachstandardbericht des Weltklimarates das ganze Wetter ruckartig wechseln. Es drohten extremere Winter, der Meeresspiegel in den USA und in Europa könnte ansteigen und hier wäre es vermutlich einige Grad kälter. Für die Tropen typische Regenfälle könnten sich mehr Richtung Süden verlagern und gleichzeitig könnte der Monsun in Asien und Afrika schwächer werden.

Passiert ist das laut CNN bereits einmal. Vor mehr als 12’000 Jahren führte die schnelle Gletscherschmelze zu einem Stillstand des Golfstromsystems. Das wiederum führte zu Temperaturschwankungen von 10 bis 15 Grad Celsius auf der Nordhalbkugel.

Mit dem Golfstrom meint man meist das Golfstromsystem, das als Nordatlantische Ozeanzirkulation Amoc bezeichnet wird. Sie funktioniert wie ein globales Förderband. Sie transportiert warmes Wasser aus den Tropen Richtung Nordatlantik, wo das Wasser abkühlt, salziger wird und tief in den Ozean sinkt, bevor es sich nach Süden ausbreitet. Rund 15 Millionen Kubikmeter Wasser werden so pro Sekunde bewegt.

Gelangt wegen des Klimawandels mehr Frischwasser in den Nordatlantik – durch schmelzende Gletscher oder in Form von Regenwasser –, wird die Salzkonzentration tiefer. Dadurch wird das Wasser leichter und sinkt weniger schnell ab. Das wiederum bremst das ganze System. Jenseits einer kritischen Schwelle verstärkt sich dieser Kreislauf und die Amoc kommt zum Erliegen, so die Theorie.

Der Golfstrom selbst ist eine Teilströmung an der Oberfläche. Ihm hat Europa sein mildes Klima zu verdanken. Vom Wind angetrieben, fliesst Wasser an der Ostküste der USA entlang, bevor es sich von dort löst und in die Mitte des Atlantiks strömt.

Kritik an der Studie

Die Aussage, dass es im 21. Jahrhundert zum Kollaps des Golfstromsystems komme, «steht auf tönernen Füssen», wie Jochem Marotzke, Direktor der Forschungsabteilung Ozean im Erdsystem am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt.

Die dänischen Forschenden gingen davon aus, dass die Amoc bei einer langsamen Veränderung der Temperatur plötzlich in einen anderen Zustand wechseln kann. Umfassendere Modelle würden eine solche «Bifurkation» aber nicht zeigen. Eine weitere Kritik ist der Fokus ausschliesslich auf die Oberflächentemperatur im Nordatlantik. «Damit wird die Studie der Komplexität des Klimasystems in vielerlei Hinsicht nicht gerecht», sagt Johanna Baehr vom Centrum für Erdsystem­forschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg im «Tages-Anzeiger».

Eine 2021 erschienene Arbeit besagt, dass die Golfströmungen derzeit so schwach sind wie seit den letzten 1000 Jahren nicht mehr. Die Daten stammen, wie bei der dänischen Studie, aber aus indirekten Messungen wie der der Oberflächentemperatur. Längere, direkte Messungen der Amoc fehlen. Erst seit Anfang der 2000er-Jahre erfassen Bojen und Satelliten die Stärke des Golfstromsystems direkt. Die direkten Messungen der vergangenen 20 Jahre zeigen zwar eine Abschwächung – es ist aber unklar, ob es sich dabei um einen Trend handelt, der zu einem vollständigen Kollaps führen könnte.