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Strafverfahren gegen Politiker: Verantwortlich ist einzig der Kandidat

Trotz eines Strafverfahrens wegen Exhibitionismus kandidierte ein Aargauer für den Nationalrat. Hätte die Partei dies merken und verhindern müssen? Der Kommentar.

Ein Politiker steckt mitten in einem Strafverfahren und kandidiert für den Nationalrat. So geschehen im letzten Herbst im Aargau. Gewählt worden ist der Beschuldigte nicht. Dennoch hinterlässt seine Kandidatur einen fahlen Geschmack. Man stelle sich nur vor, er hätte genügend Stimmen erhalten und wäre später, als Nationalrat, verurteilt worden. Wer wäre dafür verantwortlich?

Schuld daran wäre der Kandidat. Und nur er. Der Mitte, für die er kandidierte, kann man keinen Vorwurf machen. Der Beschuldigte war ein bekannter Kopf innerhalb der Partei. Politisch ist er schon lange aktiv, sass sogar im Grossen Rat. Die Parteileitung hatte keinen Grund anzunehmen, dass gegen ihn ein Verfahren läuft. Ein Hintergrundcheck hätte in diesem Fall nichts gebracht: solange der Beschuldigte nicht verurteilt ist, hat er keinen Eintrag im Strafregister.

Die Politik ist ein Abbild der Gesellschaft, es menschelt. Politikerinnen und Politiker müssen nicht unfehlbar sein, das können sie gar nicht. Was aber dem beschuldigten Ex-Grossrat zur Last gelegt wird, ist keine Bagatelle. Es ist verständlich, dass er die Exhibitionismus-Vorwürfe nicht selber publik machen wollte. Aber er hätte nicht kandidieren dürfen, sondern klarmachen müssen, dass er kein potenzieller Nationalrat ist. Denn wer vielleicht viele Frauen und Mädchen belästigt hat, gehört sicher nicht ins Parlament – in gar keines.