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Kein ausländischer Präsident im Nationalratssaal? Darum stimmte Matthias Jauslin gegen Selenskis Videoansprache

Am nächsten Donnerstag spricht der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski per Videoschaltung im Nationalratssaal. Ein Ordnungsantrag der SVP wollte das verhindern - diesem hat auch der Wohler FDP-Nationalrat Matthias Jauslin zugestimmt.

Am nächsten Donnerstag, dem 15. Juni, wird sich der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski ans Schweizer Parlament wenden. Nachmittags nach der Sitzung wird er per Videoschalte in den Nationalratssaal übertragen.

Die Idee für die Rede stammt laut SDA von der ukrainischen Regierung selber. Die ukrainische Botschaft in der Schweiz habe ein entsprechendes Gesuch gestellt, die Büros von National- und Ständerat hiessen den Antrag gut. Nicht alle aber sind damit einverstanden. Die SVP-Fraktion stellte Anfang Woche einen Ordnungsantrag gegen diese Videoansprache.

Dieser hatte keine Chance und wurde mit 128 zu 58 Stimmen bei vier Enthaltungen abgelehnt. Ausser der SVP-Fraktion stimmte der einzige Vertreter der Partei der Arbeit im Nationalrat, der Neuenburger Denis de la Reussille, gegen Selenskis Ansprache, zudem vier Freisinnige. Unter ihnen der Wohler Nationalrat Matthias Jauslin.

«Dass sich ein ausländischer Regierungschef direkt an das eidgenössische Parlament wenden darf, ist nicht stufengerecht», begründet Jauslin seine Ablehnung. Wolodimir Selenskis Diskussionsebene und Verhandlungspartner wäre der Bundesrat, nicht aber National- und Ständerat.

Arbeitsort der Nationalrätinnen und Nationalräte

Auch wenn die Rede ausserhalb der Sitzung gehalten werde, so sei der Nationalratssaal kein normaler Besprechungsraum, sondern habe auch symbolische Bedeutung. Offiziell findet derzeit die Sommersession statt, und der Saal ist in diesem Zeitfenster der Arbeitsort der Nationalrätinnen und Nationalräte.

«Während der Session hat jedes Mitglied des Bundesparlamentes freien Zutritt und erledigt von seinem Platz aus die Arbeit. Mit einer Liveschaltung in diesen Saal sind praktisch alle gezwungen, sich die Rede des ukrainischen Präsidenten anzuhören», so Jauslin. Dabei müsse es der persönliche Entscheid jedes einzelnen Parlamentsmitglieds sein, ob es das will.

Das sei keine Frage der Neutralität und richte sich selbstverständlich auch nicht gegen die Ukraine oder Selenski selber, versichert der Wohler Nationalrat. «Ich mache mir grosse Sorgen um das ukrainische Volk und dessen Freiheit. Derzeit lässt sich aber ein grosser Teil der Weltgemeinschaft von den ständig neuen Forderungen Selenskis vereinnahmen.»

Im Grunde sei es Lobbyarbeit, die der ukrainische Präsident im Nationalratssaal mache. Und einen Lobbyisten habe er in seinen sieben Jahren im Parlament noch nie an dieser Stelle reden gehört, sagt Matthias Jauslin. Das sei insbesondere deshalb problematisch, weil zum Krieg in der Ukraine und dem Schweizer Umgang damit einige Geschäfte auf dem Tisch liegen. «Jetzt lässt man zu, dass direkt am Ort des Entscheids ein Interessensvertreter zu diesen Themen spricht. Das gehört nicht da hin.»

Cédric Wermuth kritisiert SVP

Er werde sich die Rede nicht anhören, sagt Jauslin. Und zwar aus staatspolitischen Gründen. «Cédric Wermuth hingegen macht Tränendrüsenpolitik.» Der Zofinger Nationalrat und SP-Co-Präsident Wermuth kritisierte den SVP-Ordnungsantrag gegen Selenskis Rede im Nationalrat massiv.

Ausgerechnet die SVP, die immer behaupte, ihr sei Demokratie, Souveränität und Unabhängigkeit wichtig, wolle nicht einmal hören, was der Präsident eines Landes zu sagen habe, der seit einem Jahr mit seinen Menschen diese Werte in Europa verteidige. «Das ist eine moralische Bankrotterklärung Ihrer Partei, und sonst gar nichts!»

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