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Genoni, der Held im grössten Drama unserer Hockeygeschichte

Die Schweiz eliminiert Titelverteidiger Kanada in der Penalty-Entscheidung (3:2) und spielt gegen Tschechien um den WM-Titel. Leonardo Genonis Spiel des Lebens.

Eishockey gilt als letztes wahres Mannschaftsspiel. Und doch entscheiden immer wieder Einzelsportler die grossen Dramen. Die Goalies. Sie sind auf sich allein gestellt. Sie können alles wiedergutmachen, was ihre Vordermänner versäumt haben.

Zug vermag er nicht mehr in den Final zu hexen. Aber die Schweiz in den WM-Final. Leonardo Genoni ist am Anfang und am Ende die Schlüsselfigur in diesem Halbfinal-Drama. Während des ersten Powerplays entwischt Brandon Tanev – und scheitert am letzten Mann der Schweizer. Noch im gleichen Überzahlspiel trifft Kevin Fiala zum 1:0.

Es ist Leonardo Genoni, der mit dieser grandiosen Rettungstat die Weichen Richtung Final stellt. Die Schweizer geraten nicht in Rückstand (sie werden auch nie in Rückstand geraten) und führen 1:0. Leonardo Genoni stoppt 42 Pucks und sorgt dafür, dass es bis zum Ende der zehnminütigen Verlängerung 2:2 steht. Und dann bleibt er in vier von fünf Penalty-Duellen Sieger. Gegen die Kanadier. Gegen den Titelverteidiger.

Er wird im August 37 und stellt einmal mehr seine immense Erfahrung und überragende Spielintelligenz unter Beweis: Die Fähigkeit, das Spiel zu lesen. Zu erahnen, wohin die Reise des Pucks gehen wird.

Auf Augenhöhe mit den Kanadiern

Seit Anbeginn der Zeiten heisst es nicht ganz zu Unrecht, den Schweizern fehle die Kaltblütigkeit im Abschluss. Die Eigenschaft, die so typisch sei für die Kanadier. Von den Kanadiern könne man lernen. Nun haben die Schweizer nach dem 2:1 in der Vorrunde gegen Tschechien schon zum zweiten Mal bei dieser WM eine Penalty-Entscheidung gewonnen. Lernen die Kanadier von den Schweizern Kaltblütigkeit im Abschluss?

Zwischen Leonardo Genonis erster und letzter Rettungstat begegnen die Schweizer den Kanadiern – wie schon bei der 2:3-Niederlage in der Vorrunde – in jeder Beziehung auf Augenhöhe: Physisch, läuferisch, technisch und mental. Sie sind in jeder Beziehung so robust wie die Kanadier.

Dieser Halbfinal geht als bisher grösstes Drama in unsere Hockeygeschichte ein. Mehr Spektakel, mehr Spannung, mehr Drama, mehr Unterhaltung ist nicht möglich.

Verwandelt seinen Penalty ganz cool: Sven Andrighetto (r.).
Bild: Martin Divisek / EPA

Entscheidend ist in dieser Partie – neben Leonardo Genonis Paraden – wieder die diese Balance zwischen Magie und Maloche. Es ist einerseits die Magie des Künstlers Kevin Fiala (er erzielt das 1:0 und versenkt den ersten Penalty) und des coolen Vollstreckers Sven Andrighetto. Es ist nicht die WM des ZSC-Stürmers. Er hat bisher bei dieser WM erst ein Tor erzielt. Aber er trifft versenkt seinen Penalty, der uns in den Final bringt. Nie aufgeben. Auch dann nicht, wenn es nicht laufen will. Zur Magie gehören auch das Powerplay und eine smarte Defensiv-Organisation: Nur ein Gegentreffer bei fünf gegen fünf in sieben Spielen.

Die Chancen sind gleichmässig verteilt

Zur Maloche gehört das Tor von Nino Niederreiter, der sich im Powerplay im Gedränge vor dem Tor durchsetzt und zum 2:0 ablenkt. Dazu gehört die Schwerarbeit von Gottérons Leitwolf Christoph Bertschy und von NHL-Verteidiger Jonas Siegenthaler. Sie weisen mit Plus 8 die beste Plus/Minus-Bilanz des Teams auf.

Können die Schweizer Weltmeister werden? Sie haben in der Vorrunde die Tschechen nach Penaltys 2:1 besiegt. Wie gegen Kanada hat Kevin Fiala zum 1:0 im Spiel und zum 1:0 in der Penalty-Entscheidung getroffen.

Aber es gibt einen erheblichen Unterschied zu dieser ersten Begegnung. Inzwischen haben die Tschechen mit Martin Necas (Carolina), David Pasternak (Boston) und Pavel Zacha (Boston) drei NHL-Stürmer ins Team eingefügt. Necas hat in 4 Partien 5 Punkte (1 Tor/4 Assists) beigesteuert. Zacha hat einen Treffer erzielt, Pasternak, ermüdet nach der NHL-Saison, hat noch nicht getroffen.

Die drei Verstärkungen bzw. Ergänzungen ändern nichts an der Ausgangslage. Die Chancen stehen 50:50. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Wer Kanada standhält und am Ende nach Penaltys gewinnt, kann auch in Prag gegen Tschechien bestehen. Heimvorteil für Tschechien? Ja. Aber auch maximaler Erwartungsdruck. Den ersten WM-Titel seit 2010 vor eigenem Publikum in Prag ausgerechnet gegen die Schweiz verspielen? Es wäre die grösste Schmach in der ruhmreichen Geschichte des tschechischen Hockeys. Auch wenn es gegen das beste WM-Team wäre, das die Schweiz je hatte.

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