Sie sind hier: Home > Interview > Staatskasse musste Pandemie, Flüchtlinge und KSA verkraften – Dieth: «Wir müssen an der umsichtigen Finanzpolitik festhalten»

Staatskasse musste Pandemie, Flüchtlinge und KSA verkraften – Dieth: «Wir müssen an der umsichtigen Finanzpolitik festhalten»

Der Regierungsrat präsentiert ein Defizit-Budget. Die Finanzlage des Kantons sei aber stabil, sagt der Finanzdirektor – dank der Zurückhaltung der letzten Jahre. Das dürfe man jetzt nicht ändern.

Auf sieben fette Jahre folgten sieben magere Jahre, mahnten 2022 Grossratsmitglieder in der Budgetdebatte. Jetzt befinden wir uns im siebten Jahr seit die Rechnungen mit Überschüssen schliessen. Wird das nächste ein mageres?

Markus Dieth: Nein, ich bin über alles gesehen zuversichtlich, aber es gibt sicher Anzeichen für eine Verlangsamung. Einerseits kühlt sich die Konjunktur ab, andererseits haben wir weiterhin ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sind mit den guten Resultaten haushälterisch umgegangen: Mit den Überschüssen haben wir Schulden ab- und eine Reserve für schlechte Zeiten aufgebaut. Das ist vorausschauend. So sind wir heute in der Lage, trotz anspruchsvollem Umfeld wichtige Vorhaben anzupacken und den Kanton voranzubringen.

Der Regierungsrat budgetiert eine einfache Gewinn-Ausschüttung der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Ob es diese dann wirklich gibt, ist aber nicht sicher.

Ob die Annahme zu optimistisch ist, kann man heute noch nicht sagen. Damit es zu einer Ausschüttung kommt, müsste die SNB im zweiten Halbjahr einen Gewinn von über rund 38 Milliarden Franken erzielen, denn entscheidend ist das Jahresergebnis. Das ist zwar möglich, aber unsicher. Wir werden im Herbst eine Neubeurteilung vornehmen müssen.

Auch für das laufende Jahr war ein Defizit budgetiert. Wie sieht das jetzt, im August aus? Bleibt es dabei?

Wir gehen davon aus, dass das Ergebnis der Jahresrechnung 2023 deutlich besser ausfallen wird als budgetiert, das Defizit wird nicht 296 Millionen Franken betragen. Die Ausgleichsreserve sollte weniger stark beansprucht werden, das ist erfreulich. Verantwortlich dafür sind höhere Steuererträge als erwartet, gemäss aktuellen Hochrechnungen vor allem von den Unternehmen. Zudem gibt es Budgetunterschreitungen, etwa beim Personalaufwand für die Beschulung ukrainischer Schülerinnen und Schüler.

Wirkt sich die letzte Steuergesetzrevision, die Gewinnsteuersatzsenkung, bereits auf den Staatshaushalt aus?

Fakt ist, dass sich die Steuereinnahmen zurzeit vor allem bei den juristischen Personen deutlich besser entwickeln als angenommen. Die dynamischen Effekte, die wir uns von der Steuergesetzrevision erhoffen, erwarten wir vor allem mittel- und längerfristig. Aber wir sind attraktiv: Ende Juni hat die NZZ berichtet, dass im letzten Jahr knapp 200 Zürcher Firmen in den Aargau gezogen sind.

Die Steuereinnahmen nehmen auf allen Ebenen zu, doch der Aufwand wächst weniger stark als angenommen. Wie erklärt sich das?

Sowohl die Ausgaben als auch die Steuern wachsen moderat. Weil aber das Ausgabenwachstum über die Planperiode tiefer ist als das erwartete Wirtschaftswachstum, haben wir weiterhin eine tiefe Staatsquote und Steuerquote, das ist gut so. Ein wichtiger Treiber ist das im Aargau überdurchschnittliche Bevölkerungswachstum von 1,4 Prozent. Es wirkt sich zwar stabilisierend auf die Entwicklung der Steuereinnahmen aus, erhöht aber gleichzeitig auch die Nachfrage nach staatlichen Leistungen.

Im Juni haben Sie das Jahresergebnis 2022 präsentiert, mit einem Plus statt dem budgetierten Defizit. Man müsse angesichts der soliden Finanzlage zwingend die Sparmassnahmen früherer Jahre rückgängig machen, forderte die SP. Wird das jetzt geschehen?

Solche Forderungen müsste man im Einzelfall sorgfältig beurteilen. Es ist richtig, dass wir heute über eine sehr solide Finanzlage verfügen. Das ist umso erfreulicher, weil die Staatskasse die Coronapandemie, die Unterbringung Schutzsuchender aus der Ukraine, sowie die Finanzhilfe an die Kantonsspital Aarau AG verkraften musste. Aber wir müssen unbedingt an unserer vorausschauenden und umsichtigen Finanzpolitik der letzten Jahre festhalten. Solange wir ohne Entnahme aus der Ausgleichsreserve noch Fehlbeträge einplanen müssen, ist es zu früh für Massnahmen, die den Finanzhaushalt zusätzlich belasten.

Schreiben Sie einen Kommentar