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Zu wenig Alterswohnungen im Aargau wegen finanziellem Fehlanreiz?

Tobias Hottiger und weitere Grossräte wollen eine Gesetzeslücke schliessen und einen Fehlanreiz beseitigen: indem die Restkosten für stationäre Pflege künftig entsprechend der Einwohnerzahl unter den Gemeinden aufgeteilt werden.

Wer bezahlt sinnvollerweise die sogenannten Restkosten von Pflegeheimen, die nicht von den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst sowie von der Krankenversicherung übernommen werden: die Gemeinden oder der Kanton? Heute sind es die Gemeinden, derweil der Kanton für die Spitäler zuständig ist. Schon länger wird diskutiert, ob der Einfachheit halber künftig der Kanton (bei dessen Clearingstelle ohnehin alle Rechnungen aus den Pflegeheimen eintreffen) diese Kosten übernehmen und seine entsprechenden Mehrkosten via Finanz- und Lastenausgleich erstattet bekommen soll.

Vor gut einem Jahr hat sich die Regierung auf einen Vorstoss von Bruno Gretener (FDP) bereit erklärt, so eine Lösung mit Blick auf die neue Gesundheitspolitische Gesamtplanung, die derzeit im Departement von Jean-Pierre Gallati erarbeitet wird, zu prüfen, und Vorschläge zu machen.

Fehlanreiz im geltenden System

Grossrat Tobias Hottiger.
Bild: Britta Gut

Greteners Fraktionskollege Tobias Hottiger ortet Handlungsbedarf an einer anderen Stelle. Er hat jetzt mit anderen Grossrätinnen und Grossräten aus fast allen Fraktionen einen weiteren Vorstoss eingereicht. Er will, dass die gesamthaft im ganzen Kanton anfallenden «Restkosten für die stationäre Pflege den Gemeinden nach Massgabe ihrer Einwohnerzahl weiterverrechnet werden». Warum das? Hottiger sieht im geltenden System einen starken Fehlanreiz, der bestehen bliebe, wenn künftig einfach der Kanton die Kosten trägt und sie den Gemeinden weiter verrechnet.

Aber inwiefern denn, das klingt doch fair? Hottiger bringt ein Beispiel: «Wenn jemand aus der Gemeinde A in die Gemeinde B ins Pflegeheim geht, kommt die vorherige Wohngemeinde A für allfällige Restkosten auf, das ist klar geregelt. Dasselbe gilt, wenn jemand von A nach B in eine Alterswohnung zieht und von Beginn weg Pflegeleistungen bezieht. Wenn diese Person aber in der Alterswohnung in der Gemeinde B erst nach einer gewissen Zeit Pflege benötigt, ist die ursprüngliche Wohngemeinde A nicht mehr kostenpflichtig, sondern Gemeinde B.»

Mehr Angebote für Wohnen im Alter benötigt

Im Klartext heisst dies, so Hottiger (der selbst Arzt ist), dass Gemeinden mit vielen Angeboten zum Wohnen im Alter mit überproportional hohen Pflegerestkosten bestraft werden: «Diesen negativen Anreiz will ich beseitigen, indem der Kanton den Gemeinden nicht mehr die dort angefallenen tatsächlichen Kosten einfach weiterverrechnet, sondern nach Einwohnerzahl.»

Der Kanton wolle ja, dass es der älteren Bevölkerung in ihrer Gemeinde ermöglicht wird, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben und ihr Leben möglichst selbstbestimmt und selbstverantwortlich gestalten zu können. Das sei absolut richtig, betont Hottiger. Um diese Stossrichtung umzusetzen, brauche es angesichts der demografischen Entwicklung zunehmend Angebote für Wohnen im Alter.

Restkosten belasten eine Gemeinde spürbar

Besonders gross sind die Angebote für Alterswohnen in Zentrumsgemeinden, so Hottiger, wofür diese aber nicht finanziell bestraft werden sollen. Hottiger ist in Zofingen auch Einwohnerrat und sieht dort, dass die Restkosten eine Gemeinde spürbar belasten, und dass es regelmässige grosse Diskussionen darüber gibt: «Die Gemeinden sind in der Pflicht, Alterswohnangebote entweder selbst zu finanzieren und/oder entsprechende Rahmenbedingungen für private Investoren zu schaffen. Dabei sollten sie nicht durch negative Anreize abgeschreckt werden, die es heute leider gibt. Eine Aufteilung pro Einwohnerin und Einwohner ist die fairste Lösung dafür.»

Wirklich neu wäre dies im Übrigen nicht, fügt Hottiger an. Diese Praxis werde nämlich beispielsweise bei der Finanzierung von Einrichtungen für Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen schon lange angewendet.

«Vor einem Mikrofon würde das niemand sagen»

Der Vater des Sprechers der Interpellanten, Hansruedi Hottiger, selbst auch Grossrat und bis vor kurzem langjähriger Stadtammann von Zofingen, hat von Vertretern verschiedener Gemeinden gesprächsweise wiederholt gehört, sie würden sich nie für Alterswohnungen in ihrer Gemeinde stark machen, eben weil man dafür finanziell bestraft werde. Hottiger: «Vor einem Mikrofon würde das niemand sagen. Ich weiss aber, dass es manchenorts ein Hemmnis ist. Dabei brauchen wir im Aargau dringend mehr Alterswohnungen. Diese entsprechen einem grossen Bedürfnis von älteren Menschen, die gar keine oder nur wenig Pflege benötigen.»

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