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Sorglos gelagerte Chemikalien: Dem Kanton sind «keine anderen Standorte mit Zuständen wie in Seon bekannt»

2021 wurden bei einer Polizeiaktion in den ehemaligen Produktionsräumen einer Seoner Chemiefirma zahlreiche Fässer und Gebinde mit gefährlichen Stoffen gefunden, die nicht richtig gelagert waren. Alles nur ein Einzelfall, schreibt der Regierungsrat. 

Im November machte die AZ publik, dass der Verwaltungsratspräsident einer Firma wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Chemikaliengesetz und Widerhandlung gegen das Gewässerschutzgesetz zu einer Geldstrafe sowie einer Busse verurteilt worden war. Die «Dr. Fritz Zobrist AG», tätig in der chemischen Forschung und Produktion, hatte einst einen Standort in der Seoner Birren. Allerdings wurde dort laut Strafbefehl der Staatsanwaltschaft seit 25 Jahren nicht mehr produziert.

Das Fabrikgebäude verfiel langsam, Wasser trat durchs Flachdach ein. Im einstigen Labor und in Lagerräumen wurden bei einer Polizeiaktion 2021 mehrere tausend Fässer und Gebinde gefunden. Sie waren nicht adäquat gekennzeichnet, dabei war ihr Inhalt alles andere als harmlos: «In den zahlreichen Behältnissen befanden sich Chemikalien sowie andere gefährliche Stoffe», so die Staatsanwaltschaft.

Teilweise waren die Behältnisse der Feuchtigkeit ausgesetzt und so stark korrodiert, dass ihr Inhalt jederzeit hätten austreten können. Insgesamt bestand die Gefahr einer Verunreinigung des Abwassers respektive des Grundwassers sowie einer Reaktion verschiedener austretender Chemikalien.

Gegenüber Tele M1 erklärte der Verwaltungsratspräsident, die Sanierung des seit zwei Jahren undichten Dachs habe sich wegen eines Burn-outs des Architekten verzögert.

Regierungsrat nimmt Stellung

Der Fall erhielt eine politische Dimension: Grossratsmitglieder von Grüne, SP, GLP und EVP stellten dem Regierungsrat eine Reihe von Fragen zum Fall Seon sowie anderer potenziell belasteter Standorte. Jetzt hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.

Das Wichtigste für die Seoner zuerst: Das Gebäude ist geräumt und durch die kantonalen Fachstellen abgenommen, es besteht also keine Gefahr mehr. Die Dachreparatur war durch die Besitzerfirma zwar in Erwägung gezogen, aber dann wieder verworfen worden, weil noch diverse weitere Massnahmen nötig gewesen wären, um das Gebäude weiterhin als – nun gesetzeskonformes – Chemikalienlager zu nutzen.

Die Entsorgungskosten dürften sich laut Schätzungen der Abteilung für Umwelt auf mehrere zehntausend Franken belaufen haben. «Diese Kosten werden von der Grundeigentümerin getragen», stellt der Regierungsrat mit Blick auf das Verursacherprinzip klar. Für wenige, aber besonders gefährliche Chemikalien hatte die kantonale Abteilung für Umwelt selber die dringende Entsorgung veranlasst. Die Aufwendungen dafür (3800 Franken) wurden ebenfalls dem Grundstückeigentümer weiterverrechnet. Hätten die Verursacher der Kosten nicht mehr belangt werden können, wären Bund, Kanton sowie Gemeinde dafür aufgekommen – das ist rechtlich klar geregelt, so der Regierungsrat.

«Betriebe, die mit chemischen Stoffen umgehen, werden von verschiedenen Behörden periodisch kontrolliert», schreibt der Regierungsrat weiter. Die Verantwortung für die sachgerechte Lagerung chemischer Stoffe liege beim Besitzer. «Werden bei solchen Kontrollen Missstände festgestellt, wird deren Behebung durch die zuständige Stelle angeordnet. Derzeit sind den Behörden keine anderen Standorte mit ähnlichen Zuständen wie in Seon bekannt.»

Weiter hält der Regierungsrat fest, dass im Normalfall «schon aus wirtschaftlichen Gründen» ein Gebäude nach einer Betriebseinstellung geräumt und dann einer anderen Nutzung zugeführt werde. «Dass dies in Seon nicht erfolgt ist, dürfte vermutlich auf eine Verkettung von unglücklichen Umständen in der Firmen- und Familiengeschichte zurückzuführen sein.»

Im Aargau ist mindestens ein anderer Fall in diese Richtung bekannt, obschon da die Menge an unsachgemäss gelagerten chemischen Stoffen sehr viel geringer war: Die Amino AG hatte nach ihrem Umzug aus dem Limmattal nach Gebenstorf die ehemaligen Produktionsstätten nicht vollständig geräumt und danach verlottern lassen. Dafür wurde deren Chef verurteilt, was nachgelagert zu einem Verfahren mit der Swissmedic und einem drohenden Methadon-Engpass führte.

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