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35-jährige Aargauerin ist die erste Astronomie-Assistenzprofessorin an der Universität Bonn: «Das ist schon ein komischer Gedanke»

Andrina Nicola ist die erste Assistenzprofessorin für Astronomie am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn. Die gebürtige Rheinfelderin erzählt von ihrem Arbeitsalltag als Astrophysikerin und was sie an ihrem Fachgebiet, der Kosmologie, fasziniert.

Andrina Nicolas grosse hellblaue Augen und ihr strahlendes Lächeln bilden einen grossen Kontrast zum etwas unauffälligen Braunton des Gestells ihres Büros am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn. Es wirkt fast so, als ob der Raum für einen Mann designt wurde. Was nicht sonderlich verwunderlich ist, denn Andrina Nicola ist die erste Assistenzprofessorin der Astronomie, die jemals an der Universität Bonn unterrichtet hat.

«Das ist schon ein komischer Gedanke, dass wir 2023 haben und es vor mir hier noch nie eine Professorin gab», sagt die gebürtige Rheinfelderin und schüttelt, immer noch etwas verblüfft über diesen Fakt, den Kopf.

Die Astrophysik ist per se keine reine Männerdomäne. Gemäss Andrina Nicolas Erfahrungen ist der Frauenanteil auf PhD- und Post-Doc-Level fast 50:50. «Ich habe mich nie in einer Männerdomäne gefühlt», erzählt die 35-Jährige. Allerdings sei die Anzahl Frauen in Professoren-Positionen noch immer tief. Andrina Nicola erklärt: «Der Druck ist im Moment, wo man den Übergang von Post Doc zum Professor machen muss, und während der ersten Jahre als Professor am höchsten. Das ist sehr oft genau der Zeitpunkt, wo Frauen Kinder bekommen.»

Man muss als Forscherin schon etabliert sein, um sich erlauben zu können, über einen längeren Zeitraum auszusetzen. Viele springen deshalb vom Beruf ab oder streben keine solchen Posten an. «Das ist definitiv etwas, was man verändern muss», betont Andrina Nicola. Sie hoffe, dass sie mit ihrer Arbeit in Bonn den Weg für andere Frauen ebnen kann.

Stand Andrina Nicola auch vor diesem Dilemma? «Für mich war der Zeitpunkt richtig, die Stelle in Bonn anzunehmen und meinen beruflichen Weg zu gehen. Es war kein Verzicht auf etwas, sondern die Erfüllung eines Zieles.» Zudem sei es an der Zeit, dass nicht nur Frauen den Entschluss treffen sollen, ob sie nun Kinder haben möchten oder im Beruf bleiben – der Mann kann auch zu Hause bleiben.

Physik? Nein danke.

Ihr beruflicher Werdegang wurde Andrina Nicola in die Wiege gelegt. Ihr Vater hat ebenfalls Physik studiert und arbeitete als Dozent. Trotzdem wollte die Aargauerin gar einen anderen Weg einschlagen. «Ich hatte alles im Kopf ausser Physik, Forschung und Naturwissenschaften.» Das Schicksal – oder vielleicht der Kosmos – hatte aber andere Pläne. Andrina Nicola wollte die Hotelfachschule besuchen, musste aber ein Jahr warten, weil ihr ein paar Tests fehlten.

Um das Jahr zu überbrücken, entschied sie sich, an der ETH Zürich Lebensmittelwissenschaften zu studieren, und kam dann wieder mit Physik in Berührung. Das brachte den Stein ins Rollen. Im Verlauf ihres Physik-Studiums vertiefte sie sich in der Astrophysik und Kosmologie. Beides Themenfelder, die sie schon immer fasziniert haben, sie aber nie als beruflichen Weg in Betracht gezogen hatte.

Dark Matter und Dark Energy – was genau ist Kosmologie?

«Die Kosmologie schaut sich das Universum als Ganzes an und versucht, Fragen zu beantworten wie ‹Was sind die Grundbausteine des Universums? Wie ist das Universum entstanden? Wie hat es sich entwickelt und wie wird es sich weiterentwickeln?›», erläutert Andrina Nicola. Was sie genau erforscht, erklärt sie im Video:

Kein wissenschaftlicher Durchbruch, dafür viel Programmieren

«Mein Arbeitsalltag ist superlangweilig. Ich sitze am PC und programmiere», erklärt die junge Forscherin und lächelt dabei etwas verschmitzt. In Nicolas Forschungsgebiet werden die grossräumigen Strukturen des Universums anhand verschiedener sogenannter kosmologischer Sonden analysiert. Einen der Schwerpunkte ihrer Forschung bildet die grossräumige Verteilung von Galaxien, welche mit Hilfe von Teleskopen beobachtet wird. Leistungsfähige und hochempfindliche Teleskope, wie das zukünftige LSST, schiessen Bilder vom Himmel in verschiedenen Wellenlängen, was die Beobachtung von sehr lichtschwachen und weit entfernten Galaxien ermöglicht.

Diese Bilder erlauben es dann, die grossräumige Galaxienverteilung zu rekonstruieren und daraus Rückschlüsse auf unser kosmologisches Modell zu ziehen. «Eine weitere Sache, die ich an der beobachtenden Kosmologie mag, ist dass wir stets in grossen Teams von Hunderten von Forschern arbeiten. Die Projekte sind so gross, dass es praktisch unmöglich ist, allein zu arbeiten», sagt Andrina Nicola.

In Nicolas Forschungsgebiet werden Daten von Teleskopen analysiert, welche unter anderem die Verteilung der Galaxien messen.
Bild: zvg/Planetarium Kreuzlingen

Freude am Beruf ist wichtig, um mit den Schattenseiten umzugehen

«Die PhD-Jahre können manchmal ein bisschen frustrierend sein», erklärt Andrina Nicola. Die Forschung könne allgemein eine etwas undankbare Laufbahn sein, besonders wenn man monatelang an etwas arbeite und keine Resultate erziele. «Man muss lernen, dass es normal ist, dass man lange ohne Resultate auskommen muss und dass dies an der Natur der Forschung und nicht an uns selbst liegt.» Viel Herzblut und Freude an dem Beruf sind wichtig, um mit den Schattenseiten umzugehen.

Hat sich Andrina Nicola je mal überlegt, einen anderen Weg einzuschlagen? «Sehr oft sogar. Aber ich sehe es auch als ein grosses Privileg, einen Beruf ausüben zu können, der mir erlaubt, über die grossen Fragen des Universums nachzudenken. Das macht mir sehr viel Freude und das ist das Wichtigste – wie in jedem Beruf.»

Zur Person

Nach Abschluss ihres Doktorats (PhD) in Physik an der ETH Zürich verbrachte Andrina Nicola zwischen 2018 und 2022 vier Jahre als Postdoktorandin (Post Doc) an der Princeton University. Anschliessend trat sie zwischen September 2022 bis April 2023 eine Stelle als Assistenzprofessorin an der Washington University in St. Louis an. «Als mir die Möglichkeit geboten wurde, nach Europa zurückzukommen und näher bei meiner Familie zu sein, habe ich meine Stelle in St. Louis gekündigt und bin nach Bonn gezogen.»

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