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«Ich kann nicht einfach weiter machen wie bisher»: Bundesrätin Simonetta Sommaruga tritt wegen Erkrankung ihres Ehemannes zurück

Nach Ueli Maurer tritt innert weniger Wochen ein weiteres Mitglied des Bundesrates zurück. Umweltministerin Simonetta Sommaruga soll am Mittwochnachmittag bekannt geben, dass sie ihr Amt aufgibt.

Erst Anfang Woche war Simonetta Sommaruga an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt. Eine Woche hatte sie ihre bundesrätlichen Pflichten pausieren lassen. Grund dafür war, dass ihr Ehemann, der Schriftsteller Lukas Hartmann, «aus gesundheitlichen Gründen im Spital ist». Keine drei Tage später soll Sommaruga am Mittwoch ihren Rücktritt erklären. Das berichtet die Zeitung «Le Temps».

Die 62-jährige Simonetta Sommaruga und der Berner Schriftsteller Lukas Hartmann sind seit 1996 verheiratet. Sie wohnten erst in der Berner Vorortsgemeinde Köniz; nun seit wenigen Jahren in der Stadt Bern. Lukas Hartmann ist ein Pseudonym: Mit bürgerlichem Namen heisst der 78-jährige Ehemann der Bundesrätin Hans-Rudolf Lehmann.

Mit Sommaruga haben Frauen erstmals Mehrheit im Bundesrat

Die damalige SP-Ständerätin Sommaruga war am 22. September 2010 im Alter von 50 Jahren in den Bundesrat gewählt worden, als Nachfolgerin von Moritz Leuenberger. Mit ihrer Wahl stellten die Frauen erstmals eine Mehrheit im Bundesrat. Sie setzte sich im vierten Wahlgang gegen den SVP-Nationalrat Jean-François Rime durch und erhielt 159 Stimmen. Die Nichtjuristin und gelernte Pianistin musste das Justizdepartement gegen ihren Willen und jenen ihrer Partei übernehmen. Nach 100 Tagen im Amt beteuerte sie jedoch, dass sie kein Problem damit habe.

Sommaruga geniesst den Ruf einer souveränen, nervenstarken und dossierfesten Politikerin. Als Justizministerin war sie für die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative zuständig – ein Thema, das die Schweiz beschäftigt wie kein anderes. Das bescherte ihr vor allem von rechtsbürgerlichen Kreisen – namentlich der SVP – viel Kritik.

Weltweit erstes Klimaschutzabkommen ausgearbeitet

Die gebürtige Aargauerin kam es deshalb gelegen, dass sie nach dem Rücktritt der damaligen CVP-Bundesrätin Doris Leuthard das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) übernehmen konnte. Unter ihrer Leitung schloss die Schweiz mit Peru das weltweit erste Klimaschutzabkommen ab. Die neuen Dossiers behagten ihr, bewahrten sie aber nicht vor politischen Niederlagen.

Am meisten schmerzen dürfte Sommaruga die Schlappe bei der Revision des CO2-Gesetzes im Sommer 2021. Mit grossem Rückhalt aus dem Parlament stellte sie ein breites Paket vor, um den Klimawandel zu bekämpfen. Obwohl sich nur die SVP dagegen stellte, lehnte das Stimmvolk die Reform knapp ab. Die Gemüter erhitzten vor allem die neuen Abgaben.

Eine Frau der Tat

Beim CO2-Gesetz offenbarte Sommaruga eine ihrer Stärken. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, zeigte sie sich lernfähig. Bei der Neuauflage der Reform ging sie über die Bücher. Die Bevölkerung dürfe nicht das Gefühl haben, dass sie bestraft werde, betonte Sommaruga bei der Präsentation des Gesetzesentwurfs. Schon bei ihrer Wahl in den Bundesrat betonte sie, sie wolle Lösungen finden, die vom Volk akzeptiert werden.

Lassen muss man Sommaruga auch: Ihren Ankündigungen lässt sie Taten folgen. Das stellt sie gerade bei der aktuellen Energiekrise unter Beweis. Um einer Strommangellage im Winter vorzubeugen, hat sie ein Bündel an Massnahmen angestossen. Seien es der Rettungsschirm für taumelnde Stromunternehmen, der Bau eines Reservekraftwerkes im aargauischen Birr, Notstromaggregate oder die Wasserkraftreserve.

Unvergessen: die Kussattacke von Seiten der EU.
Keystone

Krisenmanagerin während Coronapandemie

Auf dem internationalen Parkett bewegte sich die sprachgewandte Politikerin stets mit Leichtigkeit. Das bewies sich auch während ihrer beiden Jahre als Bundespräsidentin. In Erinnerung bleibt etwa 2015 die Kussattacke des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.

Ihr zweites Jahr stand dann 2020 ganz im Zeichen der Coronapandemie. Als oberste Krisenmanagerin der Schweiz leitete sie fast täglich stattfindende Sitzungen des Bundesrates und wendete sich an der Seite von Gesundheitsminister Alain Berset mit eindringlichen Appellen an die Bevölkerung.

Ihre politische Laufbahn startete sie als Gemeinderätin der Berner Vorortsgemeinde Köniz. Von dort schaffte sie 1999 den Sprung in den Nationalrat – auch dank ihrem Engagement bei der Stiftung für Konsumentenschutz. 2003 gelang es ihr, Berns bürgerliches Bollwerk im Ständerat zu sprengen. Fast sieben Jahre lang war sie Mitglied der kleinen Parlamentskammer.

Rücktritt wegen erkranktem Ehemann

Simonetta Sommaruga hat heute Morgen ihrem Umfeld den Rücktritt erläutert. Sie wird per Ende Jahr zurücktreten. Sommaruga erklärt an der Medienkonferenz mit zitternder Stimme:

«Der Entscheid kommt etwas abrupt und früher als vorgesehen.»

Der Grund ist, dass ihr Ehemann letzte Woche einen Schlaganfall hatte. Es gehe ihm soweit gut. Das Ereignis war jedoch ein Einschnitt. «Ich kann nicht einfach weiter machen wie bisher.» Die Zukunft wolle sie mit ihrem Mann anders gestalten

Die Krise dauert länger, ihr Mann ist jetzt erkrankt

Sommaruga geht in einem schwierigen Moment: Die Energiekrise bewegt die Schweiz, ihr Departement Uvek ist federführend bei der Bewältigung der Probleme. Jedoch: Die Krise dauere länger als diesen Winter, sie sei längerfristig. Die Grundlagen habe sie geschaffen, um die Krise zu bewältigen, zusammen mit den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Partnern. Weil die Krise länger dauern wird, gibt es für sie keinen optimalen Zeitpunkt für den Rücktritt – ausser, und das steht bei ihr im Vordergrund, der Gesundheitszustand ihres Mannes.