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Einzigartig im Kanton: Der Demenz-Simulator im Selbsttest

Auf einem Parcours mit 13 Stationen soll man erleben können, wie anders das Leben mit Demenz ist. Der Simulator wurde am Donnerstagabend in Schöftland eingeweiht.

Der Knopf will einfach nicht durchs Knopfloch passen und das, obwohl ich mich sehr aufs Anziehen der Schürze konzentriere. So viel Anstrengung hat mich das Ankleiden wohl zuletzt gekostet, als ich im Kindergarten lernte, meine Schuhe zu binden. Aber ich arbeite unter erschwerten Bedingungen, meine Hände stecken in groben Arbeitshandschuhen und parallel zum Zuknöpfen der «Schübe» muss ich laut zählen. Das gehört alles zur Aufgabe vom ersten Posten des Demenz-Simulators.

Auf dem Parcours mit 13 Stationen erlebe ich am Beispiel der fiktiven Erna Müller, welche Hindernisse Demenzbetroffene im Alltag erleben. Teil davon sind nebst Bürotätigkeiten und Autofahren auch scheinbar selbstverständliche Situationen, wie den Tisch decken und frühstücken.

«Was für uns normal ist, kann für Demenzbetroffenen eine grosse Herausforderung sein», erklärt Jürg Hochuli. Er ist Mitglied der Alterskommission Schöftland und für die reformierte Landeskirche tätig. Der Simulator wurde am Donnerstagabend anlässlich des gestrigen Welt-Alzheimertages im Alterszentrum Suhrental eingeweiht. Die Veranstaltung wurde von der Alterskommission Schöftland initiiert, der Simulator gehört aber den Aargauer Landeskirchen.

Der Selbsttest macht nachdenklich

Um sich in den Alltag von Demenzbetroffenen einzufühlen, braucht es keinen Computer und keine Virtual-Reality-Brille. Die Stationen bestehen aus Kartensets oder speziell gefertigten Holzboxen mit eingebauten Spiegeln. Zudem liegt immer ein Heft bei, das auf Ernas Situation einstimmt und mich durch die Aufgaben führt.

Jürg Hochuli zeigt an einer Station, wie viele Arbeits- und Denkschritte es braucht, um frühstücken zu können.
Bild: Laura Koller

So auch bei der Station 10, wo ich die Schwierigkeiten des Haushaltens nachfühle. Es wird erklärt, wie ich als Erna vom Nachmittagsschlaf aufwache und mich frage, ob es Zeit für das Mittagessen ist, obwohl die Uhr 17:33 anzeigt. Ich folge gedanklich Ernas Gang durch die Wohnung, finde ein Chaos, das aufgeräumt werden muss. Dafür darf ich aber nur eine Hand nutzen, muss Murmeln packen, Becher anordnen und farbige Gummibänder sortieren. Als 28-Jährige und gesunde Person schaffe ich es im Selbsttest nicht, innerhalb der Zeitlimite von zwei Minuten alles so aufzuräumen. Zum Schluss jedes Postens werde ich nach meiner Stimmung gefragt. Die absolvierten Stationen machen mich nachdenklich.

Der Demenz-Simulator kann ausgeliehen werden

Hochuli wollte den Parcours anschaffen, um für das Thema zu sensibilisieren und damit Menschen mit Demenz besser verstanden werden. In der Begleitbroschüre wird erklärt, dass schweizweit rund 150’000 Menschen mit Demenz leben und pro erkrankte Person bis zu drei Angehörige mitbetroffen sind.

Der Demenz-Simulator wurde von Leon Maluck, einem 26 Jahre alten Studenten aus Deutschland, entworfen. Maluck hat sich gemäss eigenen Angaben bereits früh für demenzerkrankte Menschen engagiert und 2015 mit der Entwicklung des Simulators begonnen.

Eine Spiegelbox und das Heft mit den Anleitungen nebenan: So sehen die Stationen des Demenz-Parcours aus.
Bild: Laura Koller

Die 13 Stationen und die dazu passenden Banner kosteten rund 6000 Franken, dafür sind die Aargauer Landeskirchen aufgekommen. «Die Anschaffung des Simulators ist etwas, was der Bevölkerung zugutekommt», so Hochuli. Der Simulator wird nach der Einweihung durch den Medienverleih der römisch-katholischen Kirche Aargau an interessierte Vereinigungen und Institutionen ausgeliehen.

Hochuli ist im Austausch mit den St. Gallischen Landeskirchen erstmals auf den Simulator aufmerksam geworden. Das Modell im Aargau ist nun der zweite Demenz-Simulator schweizweit. Heute Freitag und am Samstagmorgen kann der Demenz-Simulator im Alterszentrum Suhrental in Schöftland von der Bevölkerung ausprobiert werden.

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