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Hitzefrei in der Schweiz: Gibt es das wirklich oder ist das nur ein altes Schulmärchen?

Hitzefrei? Die kurze Antwort lautet: Es gibt grundsätzlich kein Hitzefrei. Bis auf eine Ausnahme müssen generell alle Arbeitnehmenden und Schulkinder immer ihren Pflichten nachgehen.

Nach einigen «kalten» Wochen ist die Hitze nun wieder zurück in der Schweiz. Diese Woche werden Temperaturen bis zu 37 Grad Celsius prognostiziert. Bei einer solchen Hitze stellt sich natürlich die berechtigte Frage: Muss ich wirklich noch arbeiten und muss mein Kind zur Schule gehen?

Wer sich jetzt sagt: «Da war doch mal was mit Hitzefrei?!», hat nicht ganz Unrecht. Tatsächlich gab es vor der Jahrtausendwende in vielen Kantonen hitzefreie Tage. Seit inzwischen 20 Jahren gibt es in der Schweiz aber kein Hitzefrei mehr. 2003 schuf Basel-Stadt die Regelung als letzter Kanton ab.

Die alte Gesetzgebung, die im Kanton Zürich bereits in den 80er-Jahren gestrichen wurde, besagte, dass der Unterrichtstag beendet wird, wenn um 10.00 Uhr morgens die Temperaturen bereits über 30 Grad Celsius gestiegen waren.

Inzwischen liegt es im Ermessen der Schulleitung und der Lehrpersonen, wie bei Hitze mit dem Unterricht verfahren wird. Grundsätzlich gilt für die Schule und die Lehrpersonen aber die Obhutspflicht. Das heisst, solange sich die Kinder in der Schule befinden, sind die Lehrpersonen für das Wohlergehen der Kinder verantwortlich. Einfach die Kinder nach Hause schicken darf die Schule also nicht. Bei älteren Schülerinnen und Schülern können da aber schon mal Ausnahmen gemacht werden.

Arbeitnehmer-Rechte

Gar nicht so anders gestaltet sich die Sache bei den Arbeitnehmenden. Die Arbeitgeber haben gegenüber ihren Angestellten die sogenannte Fürsorgepflicht. Sie müssen also ebenfalls das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter gewährleisten. Das heisst: Bei Hitze muss der Arbeitgeber mit Massnahmen, wie zum Beispiel dem Verteilen von Wasser, reagieren. Bei einer leichten Arbeitsintensität muss der Arbeitgeber ab einer Raumtemperatur von 29 Grad Celsius Massnahmen einleiten. Bei einer mittleren Arbeitsintensität sinkt diese Grenze auf 28 Grad Celsius.

Ob im Büro oder im Homeoffice: Glück hat, wer einen kühlen Arbeitsplatz hat.
Bild: Keystone

Die einzigen Personen, die in der Schweiz ein Anrecht auf eine Art Hitzefrei haben, sind schwangere und stillende Arbeitnehmerinnen. Artikel 8 der Mutterschutzverordnung erlaubt dies. Heisst also: Wenn die Raumtemperatur 28 Grad Celsius überschreitet, können sie darauf insistieren, zu Hause zu bleiben.

Tessin mit Spezialregelung

Bauarbeiter sind wohl die am stärksten vom Wetter betroffene Arbeitsklasse. Deshalb fordert die Gewerkschaft Unia, dass Menschen mit diesem Beruf ab 35 Grad Celsius Hitzefrei bekommen. Ein derartiger Vorstoss von SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard wurde vom Nationalrat mit der Begründung abgelehnt, dass die primäre Verantwortung für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden bei den Arbeitgebern selbst liege und dies ausreichend sei.

Bauarbeiter haben täglich mit dem Wetter zu kämpfen.
Bild: Keystone

Als bisher einziger Kanton kennt das Tessin für Bauarbeiter im Strassenbau eine Art Hitzefrei: Wenn vom Bund drei Tage in Folge die Hitze-Warnstufe 3 ausgegeben wird, muss die Arbeit ab 13 Uhr eingestellt werden. Im Wallis soll im nächsten Jahr ebenfalls eine ähnliche Regelung in Kraft treten.

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