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Sensationeller Premierensieg von Justin Murisier und grosse Gefühle bei Marco Odermatt

Es reichte Marco Odermatt zwar nicht zum Sieg beim Auftakt in die Abfahrts-Saison. Doch der dreifache Gesamtweltcupsieger war in Beever Creek derart emotionalisiert, dass er vor Glück eine Träne verdrücken musste. Der Grund: Sein Kumpel Justin Murisier, so häufig von Verletzungen und Schmerzen geplagt, steht zu oberst auf dem Podest.

Wie ehrgeizig, wie hungrig Marco Odermatt trotz all der Erfolge weiterhin ist, unterstreicht er schon vor dem Speedauftakt in Beaver Creek. Die Punkte würden fehlen, deshalb müssten jetzt welche her. «Das ist eine neue Situation für mich. Ich sehe das aber auch als Herausforderung», sagt er. Zur Erinnerung: Die letzten drei Saisons trug er von Anfang bis zum Schluss jeweils die rote Startnummer des Führenden.

Dabei ist noch gar nicht viel passiert und erst recht ist noch nichts verloren. Denn erst ein Rennen hatte Odermatt bestritten: den Riesenslalom von Sölden. Da schied er zwar schon im ersten Lauf aus, was für den Seriensieger sehr ungewohnt ist. Aber bis zu seinem Out war er, was er fast immer ist: der schnellste im Feld.

Trotzdem machte sich Odermatt ein wenig Druck. Der Sieg, es wäre sein erster in der Abfahrt auf der Birds of Prey, sollte her. Und nur wenige im Skizirkus zweifelten daran, dass ihm dies nicht gelingen sollte. Erst recht, weil Aleksander Kilde, der die letzten vier Speedrennen in Beaver Creek gewonnen hat, verletzungsbedingt nicht am Start ist.

Odermatts vermeintlich härtester Konkurrent Cyprien Sarazin enttäuscht

Klar, da gibt es auch noch einen Cyprien Sarazin, der zwar letzte Saison in der Abfahrtswertung hinter Odermatt klassiert war, aber in der Königsdisziplin einen Sieg mehr herausfuhr als der Schweizer. Zwei Nummern vor Odermatt gestartet, verliert er über eine Sekunde auf Justin Murisier. Schliesslich muss er sich mit Rang 9 begnügen.

Als nicht ganz so geheimer Geheimfavorit wurde Vincent Kriechmayr gehandelt. Der Österreicher blickt zwar auf eine Saison zurück, in der «ich bescheiden unterwegs war, schlampig Ski gefahren bin und die Freude am Sport verloren habe»: Nur ein Podestplatz schaute für Kriechmayr heraus – notabene der einzige während der gesamten Abfahrt-Saison für die Österreicher.

Nun aber deutete der Doppelweltmeister von 2021 mit der Bestzeit im Training an, dass wieder mit ihm zu rechnen ist. Platz 5 im Rennen ist zwar noch nicht der grosse Befreiungsschlag für Kriechmayr, aber doch ein erster, kleiner Schritt zur Versöhnung mit seinem Sport.

Odermatt und die Zeichen der Unzufriedenheit

Zurück zu Odermatt. Als er ins Ziel kommt, offenbart er Zeichen der Unzufriedenheit. Er klopft sich mit der Hand an den Helm und schüttelt leicht den Kopf. Später sagt er: «Ich habe gemerkt, dass es nicht die Fahrt war, die ich zeigen wollte. Als ich aber sah, auf wen ich die zwei Zehntel verlor, kehrte das Lachen zurück, musste ich fast weinen vor Glück.» Auf dem Leaderthron sitz sein Kumpel Justin Murisier. Und dort bleibt er bis zum Rennende.

Die Kumpels Marco Odermatt (links) und Justin Murisier in der Leaderbox.
Bild: Sven Thomann / Blicksport

Welch eine Sensation: Murisier, der noch nie in einer Abfahrt auf dem Podest stand, gewinnt vor Odermatt. Dabei erlitt der 32-jährigen Walliser wie so häufig in seiner Karriere in jüngster Vergangenheit Rückschläge. In der Vorbereitung im argentinischen Ushuaia kann er trotz bester Bedingungen kaum einen Trainingslauf schmerzfrei bestreiten. Und in Beaver Creek kugelt er sich im ersten Training die Schulter aus.

Die Leidensgeschichte des Justin Murisier

Drei Kreuzbandrisse, ein Knorpelschaden und immer wieder Probleme mit der Bandscheibe und/oder der Schulter: Für den Cousin von Ex-Lauberhornsieger William Besse ist schmerzfreies Skifahren eher die Ausnahme als die Regel. Dabei galt er der gelernte Forstwart als kommender Überflieger, nachdem er zwei Tage nach seinem 18. Geburtstag im Weltcup debütierte und . Doch er wurde immer wieder zurückgeworfen, verpasste zweimal sogar einen ganzen Winter.

Natürlich stellte sich Murisier die Sinnfrage, wenn selbst die alltäglichsten Bewegungen wie ins Auto steigen Schmerzen verursachen. Doch er bleibt dran, weil er weiss, welche Fähigkeiten er abrufen kann, wenn es denn der Körper zulässt. Nach seinem Coup in Beaver Creek sagt er: «Es ist unglaublich. Es hat sich definitiv gelohnt, die Schmerzen zu ertragen. Es ist schwierig, die Emotionen zu beschreiben. Ich weine fast. Denn ich denke in diesem Moment auch daran, dass ich mehrmals befürchtete, die Karriere sei vorbei.»

Und Odermatt? Der hat nach einem zweiten Platz selten so gestrahlt. Vielleicht auch, weil ein anderer seiner Kumpel richtig gute Laune hatte: Marco Kohler. Elf Monate nach seinem zweiten Kreuzbandriss fuhr der 27-Jährige bei seinem Comeback auf Platz 16.

Doch es ist nicht alles eitel Sonnenschein bei Swiss Ski. Der Walliser Arnaud Boisset stürzt schwer und schlägt hart mit dem Kopf auf. Etwa eine halbe Stunde nach dem Unfall macht die Meldung die Runde, dass Boisset auf dem Weg ins Spital wieder bei Bewusstsein sei.

Am Wochenende stehen in Beaver Creek zwei weitere Rennen der Männer auf dem Programm – am Samstag (18.30 Uhr Schweizer Zeit) ein Super-G, am Sonntag (18.00/21.00 Uhr) ein Riesenslalom.

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