Sie sind hier: Home > Aarburg > Städtliführungen 2.0: «Mit kursierenden Halbwahrheiten aufräumen»

Städtliführungen 2.0: «Mit kursierenden Halbwahrheiten aufräumen»

In Aarburg sollen wieder Städtliführungen angeboten werden – nach einem neuen Konzept, das der langjährige ­Präsident der Museumskommission, Hans Schmid, erarbeitet hat. Gestartet wird mit Gruppenführungen.

«Me sött öppis mache», hat Stadtpräsident Hans-Ulrich Schär vor längerer Zeit zu Hans Schmid, dem ehemaligen Präsidenten der Museumskommission, gesagt. Und zwar in Sachen Städtliführungen. Denn nach dem Unfalltod von Michel Spiess im November 2020 fehlte der gewohnte Ansprechpartner für diese Führungen. «Während der folgenden Corona-Jahre spielte das auch keine grosse Rolle», sagt Schmid. Führungen seien in dieser Zeit sowieso nicht durchgeführt worden. Doch im vergangenen Jahr wurde das Problem drängend. Denn ein gewisses touristisches Potenzial ist dem Aarestädtchen mit seiner reichen historischen Vergangenheit definitiv nicht abzusprechen.

Der 74-jährige Schmid, der seit rund 40 Jahren in Aarburg wohnt und mit der Aarburger Geschichte bestens vertraut ist, nahm sich der Aufgabe an, ein Konzept für zukünftige Städtliführungen zu erarbeiten und auch eine Gruppe von zukünftigen Städtliführerinnen und Städtliführern zusammenzustellen.

14 geschichtsträchtige Orte in 1 ½ Stunden

Treffpunkt Brunnen auf dem Begegnungsplatz am Landhausquai. Eine Städtliführung ist angesagt, an der neben Schmid auch Hanspeter Schürmann teilnimmt. Der 67-jährige frühere Zofinger Postverwalter wohnt ebenfalls seit rund 40 Jahren in Aarburg und hat sich – auf Anfrage seines früheren «Lehr­buebs» Hans-Ulrich Schär – bereit erklärt, als Städtliführer zu amten. Und schon wird das Rad der Zeit zurückgedreht. «Wir sind hier direkt an der früheren Hauptstrasse, die von Bern weiter über Oftringen Richtung Zürich führte. Davon nach Süden abzweigend die Strasse nach Luzern, an der mit dem 1904 erbauten Schulhaus Hofmatt heute auch eines der markantesten Häuser von Aarburg steht», erklärt Schmid.

Städtliführerinnen und Städtliführer gesucht

Sind Sie interessiert an der Aarburger Geschichte? Oder fühlen Sie sich mit dem Aarestädtchen besonders verbunden? Weitere Städtliführerinnen und Städtliführer sind gesucht und können sich gerne bei Hans Schmid melden. Am besten per Mail an: histburg@gmx.ch. (tf)

Dann schlägt Schmid seine Mappe auf, die mit Bildern, Stichen und Fotos gefüllt ist. Von einer Strasse im heutigen Sinn könne man natürlich nicht sprechen – eher von einem schmalen Durchgang, wie ein alter Stich zeigt. Und ja, hätten wir uns damals an dieser Stelle getroffen, dann hätten wir uns auch mit Bestimmtheit nasse Füsse geholt. Denn der Landhausquai in seiner heutigen Form wurde erst um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert errichtet, in einer Zeit, als der Warentransport auf der Aare seine Bedeutung bereits völlig verloren hatte. Errichtet wurde der Quai anstelle der sogenannten «Lände», des Landeplatzes am Südufer der «Woog», wo sich einst die zu Schiff oder auf Flössen herantransportierten Warenballen und Weinfässer stapelten. Ein Relikt aus der Zeit der Flösserei stellt auch das «Schelmengässli» dar, ein heute noch bestehender öffentlicher Fussweg, der allerdings nur den wenigsten Einwohnerinnen und Einwohnern von Aarburg bekannt sein dürfte. Das schmale, unscheinbare «Wegli» diente den Bewohnern des Landhausquartiers bei Hochwasserführung der Aare als einzige Verbindungsmöglichkeit mit dem Städtchen, wenn sie nicht den Umweg über die Hofmatt nehmen wollten. Weil das Gässli beidseits von hohen Häusern und Gartenmauern eingeengt war, wurde es nachts nur ungern begangen und dürfte so seinen Namen erhalten haben.

Auf der Kirchenterrasse: Die beiden Stadtführer Hans Schmid (l.) und Hanspeter Schürmann.

Doch zurück in die Gegenwart. Für die Rundgänge durchs Städtli hat Schmid eine Route ausgearbeitet, die an 14 Orten Halt macht. Orte, an denen einem Geschichte und Geschichten auf Schritt und Tritt begegnen. «Die Route führt vom Brunnen am Landhausquai bis zum Bären mitten im Städtli», sagt Schmid; natürlich könne sie auch in umgekehrter Richtung abmarschiert werden. Der informative Rundgang dauert rund 1 ½ Stunden, eine kürzere Variante ohne Gang zur Hinteren Mühle und auf die Kirchenterrasse dauert etwa eine Stunde.

Um die Arbeit der zukünftigen Städtliführerinnen und Städtliführer zu koordinieren und gleichzeitig zu erleichtern, hat Schmid ein Glossar mit allen ­Sehenswürdigkeiten erarbeitet – und gleich auch mögliche Ausführungen und Verweise auf die Fachliteratur mitgeliefert. «Dabei ging es mir in erster Linie ­darum, mit kursierenden Halbwahrheiten aufzuräumen», sagt er. Beispiel Städtlibrand und Dammbau: Eine immer wieder kursierende Behauptung gehe dahin, dass die Aarburger den Schutt nach dem grossen Stadtbrand von 1840 gleich dazu genutzt hätten, den Damm aufzuschütten. «Das ist schlicht und einfach nicht haltbar», sagt Schmid. Protokolle aus etlichen Jahren zuvor würden belegen, dass das Projekt einer neuen Strassenführung von langer Hand geplant war.

Nun, da die Grundlagen erarbeitet sind, müsse man einfach mal loslegen, meinen Schürmann und Schmid einhellig. Momentan können ausschliesslich Gruppenführungen gebucht werden. Informationen zu den touristischen Sehenswürdigkeiten und Führungen, die in Aarburg angeboten werden, gibt es dabei auf der Website von Olten Tourismus und in etwas rudimentärer Form auf jener der Gemeinde Aarburg. «Gerade die Gemeinde ist aber gefordert, ihre Homepage diesbezüglich auf Vordermann zu bringen», hält Schmid unmissverständlich fest. Alle Informationen – zu Städtliführungen, Festungsführungen, Museumsöffnungszeiten, Museumsführungen im Heimatmuseum oder im VW-Käfer-­Museum, Öffnungszeiten des Richtplatzes – seien zu bündeln, fordert Schmid. Dabei wären auch weitere offene Fragen, wie zum Beispiel das Inkasso funktionieren sollte, dringend zu klären. Ein Online-Buchungstool ist momentan noch Zukunftsmusik, wäre aber durchaus eine zeitgemässe Einrichtung.

Themenführungen könnten zum Thema werden

Eine Erweiterung der Städtliführungen etwa durch Themenführungen halten Schmid und Schürmann momentan noch für verfrüht. Schmid sähe in Zukunft allenfalls die Möglichkeit, eine Industrieführung entlang des Tychkanals zu erarbeiten. «Mehr aber nicht», sagt er, denn zuerst müsse man die Städtliführungen in der jetzigen Form bekannter machen. Hilfreich könnte sein, öffentliche Führungen anzubieten, an denen Einzelpersonen teilnehmen könnten, sagt Schmid. Ob solche ­allenfalls im Rahmen des Städtlifests «900 Jahre Aarburg» vom 18. bis 20. August durchgeführt werden, wird sich zeigen.