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Klares Urteil: Novak Djokovic verliert vor Gericht und wird aus Australien abgeschoben

Das Bundesgericht schmetterte Novak Djokovics Berufung gegen den Visumsentzug und die Ausweisung aus Australien ab. Der 34-Jährige wird abgeschoben und muss die Verfahrenskosten tragen. Das hat ein Gremium aus Oberrichter James Allsop und den Richtern Anthony Besank und David O’Callaghan am Sonntag um 17.45 Uhr Melbourner Zeit entschieden. Damit geht auch eine dreijährige Einreisesperre einher. Das Urteil kann nicht mehr angefochten werden. Statt ab Montag bei den Australian Open seinen 21 Grand-Slam-Titel anzustreben, muss Djokovic das Land verlassen.

In einer ersten Stellungnahme sagte Djokovic: «Ich werde mir nun etwas Zeit nehmen, um mich auszuruhen und mich zu erholen, bevor ich mich äussere. Ich bin sehr enttäuscht über das Urteil. Es ist mir unangenehm, dass der Fokus in den letzten Wochen auf mir lag und ich hoffe, dass wir unseren Fokus von nun an auf das Spiel und das Turnier richten können, das ich liebe. Ich wünsche den Turnierverantwortlichen, Mitarbeitern, Freiwilligen und Fans alles Gute für das Turnier.» Er bedanke sich bei seiner Familie, seinen Freunden, seinen Angehörigen und allen Serben.

Die Verhandlung war nötig geworden, nachdem Einwanderungsminister Alex Hawke am Freitag seine Discretionary Power, eine persönliche Widerrufsbefugnis, in Anspruch genommen und Djokovic erneut das Visum entzogen hatte. Dessen Anwälte hatten mit Verweis auf die am Montag beginnenden Australian Open ein Eilverfahren erwirkt. Doch in diesem hatte Djokovic deutlich schlechtere Karten, weil es nicht der Minister war, der für seine Überlegungen Beweise vorbringen musste, sondern vielmehr Djokovic, der das Gericht davon überzeugen musste, keine Gefahr für Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung darzustellen.

Einwanderungsminister Alex Hawke hatte Djokovic das Visum entzogen.

Heisst: In diesem Prozess kam es zu einer Umkehr der bei uns üblichen Rechtssprechung. Statt «unschuldig bis zum Beweis der Schuld» kam der Grundsatz «schuldig bis zum Beweis der Unschuld» zur Anwendung.

Hawke stellte nicht mehr die Frage in den Mittelpunkt, ob eine kürzlich erfolgte Covid-19-Infektion von der Impfpflicht in Australien befreit, wie sie Djokovic geltend gemacht hatte. Er argumentierte, Djokovic habe sich in der Vergangenheit skeptisch gegenüber der Impfung geäussert, als er gesagt hatte: «Ich bin gegen eine Impfung und möchte nicht, dass mich jemand zwingt, einen Impfstoff einzunehmen, um reisen zu können. Ich möchte darüber entscheiden, was für meinen Körper am besten ist.»

Novak Djokovics Anwalt, Nick Wood, entgegnete, die Aussage in einem Artikel der «BBC» sei aus dem Kontext gerissen worden. Der 34-Jährige habe darin auch gesagt, er sei «kein Experte», er wolle «offen bleiben» und «die Option wählen, die für meinen Körper am besten ist.»

Zwischen Montag und Freitag hatte Djokovic sich für die Australian Open vorbereiten können. Nun muss er Melbourne verlassen.

«Er hätte sich längst impfen lassen können»

«Er hätte sich davor oder danach impfen lassen können. Wer sich bis jetzt nicht hat impfen lassen, hat das nicht gewollt», sagte der Anwalt Stephen Lloyd, der Einwanderungsminister Alex Hawke vertrat. Zudem habe sich Djokovic bereits ablehnend geäussert, als es noch gar keine Impfung gegeben habe. Djokovic hatte im Dezember eine Infektion durchgemacht, er sei deshalb aus medizinischen Gründen von der Impfpflicht zu befreien. Eine kürzlich erfolgte Infektion sei keine Kontraindikation, sagte Lloyd.

Djokovics Anwälte monierten, der Einwanderungsminister habe ihn nicht zu dessen aktueller Haltung angehört. Zudem habe Djokovic keine extreme Position eingenommen und sei nie als Impfgegner aufgetreten.

Es sei nicht entscheidend, ob und wie sich Djokovic zur Impfung äussere, sagte Lloyd. Sondern dass er als Impfskeptiker wahrgenommen werde. Eine Anhörung sei nicht angezeigt gewesen, weil Djokovics Verhalten während der Pandemie für sich sprechen würde. Dieser hatte im Wissen um seine Infektion ein Interview gegeben, den Journalisten nicht davon in Kenntnis gesetzt, die Isolation missachtet und damit gegen das serbische Infektionsschutzgesetz verstossen. Auch in den Monaten zuvor habe er Massnahmen missachtet, zum Beispiel während der Adria-Tour 2020.

Novak Djokovic in der Nacht des 5. auf den 6. Januar am Flughafen Tullamarine in Melbourne beim Versuch, einzureisen

Djokovic als «Ikone für Impfgegner»

Der 34-Jährige sei damit zur «Ikone für Impfgegner» geworden. Sein Aufenthalt in Australien trage zu einer ablehnenden Stimmung gegenüber Impfungen bei und könne zu sozialen Unruhen führen, argumentierte Lloyd im Auftrag von Einwanderungsminister Hawke. Am Samstag hatten vor der Anlage der Australian Open im Melbourne Park Impfgegner demonstriert.

Und am Montag war es vor dem Rialto Tower zu Scharmützeln zwischen Anhängern Djokovics und der Polizei gekommen, die Pfefferspray einsetzen musste. Der Serbe hatte dort in den Büros seiner Anwaltskanzlei Hall & Wilcox den Berufungsprozess gegen seinen ersten Visumsentzug mitverfolgt, den das Gericht als verfahrens- und rechtswidrig taxierte.

Djokovics Anwälte wendeten ein, bei den Turnieren, die der Serbe in den letzten Monaten gespielt habe, habe das keine die Impfung ablehnende Stimmung erzeugt. Sie liessen dabei aber ausser acht, dass die Australian Open das erste Turnier ist, das eine vollständige Impfung verlangt. Zudem befindet sich Melbourne, das mit 262 Tagen länger als jede andere Stadt der Welt im Lockdown war, derzeit in der tödlichsten Welle der Pandemie.

Mögliche soziale Unruhen machten Djokovics Anwälte auch für den Fall geltend, dass Djokovic abgeschoben werde. Hawke habe diese Gefahr in seinen Erwägungen nicht stark genug gewichtet. Lloyd widerspricht. Hawke habe dieses Risiko sehr wohl berücksichtigt. «Australien darf nicht gezwungen sein, die Anwesenheit eines Ausländers zu dulden, weil es die Reaktionen im Falle einer Abschiebung fürchtet», wendete Lloyd ein.

Novak Djokovic hat die Australian Open neun Mal gewonnen, zuletzt drei Mal in Folge. In Melbourne strebte er seinen 21. Grand-Slam-Titel an, die bisherige Bestmarke teilt er sich mit Rafael Nadal und Roger Federer,

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