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Uni-Präsidentin tritt nach Antisemitismus-Vorwürfen zurück – Frage nach Völkermord löste Eklat aus

Der Streit über den Konflikt in Nahost wird auch an den Universitäten in den USA ausgetragen. Die Präsidentinnen dreier Elite-Unis geraten durch Äusserungen zum Antisemitismus an Hochschulen enorm unter Druck. Nun zieht eine von ihnen Konsequenzen.

Nach heftiger Kritik an ihrem Auftritt bei einer Kongress-Anhörung zu Antisemitismus an Elite-Universitäten in den USA zieht die Präsidentin der University of Pennsylvania, Liz Magill, Konsequenzen. Wie die Universität am Samstag mitteilte, tritt die 57 Jahre alte Juristin als Präsidentin zurück. Sie lege das Amt freiwillig nieder, bleibe aber festes Mitglied der juristischen Fakultät, hiess es. Eine Begründung wurde nicht genannt.

Magill war am Dienstag gemeinsam mit den Präsidentinnen von Harvard und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu einer Anhörung im US-Kongress vorgeladen worden. Hintergrund sind antisemitische und islamophobe Vorfälle an den Einrichtungen seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober. Alle drei bestätigten, dass es diese Vorfälle gab. Sie verteidigten sich aber gegen Vorwurf, nicht genug gegen Antisemitismus auf dem Campus zu tun.

Frage nach Völkermord löst Eklat aus

Für grosse Empörung sorgte vor allem ein Moment in dem von den Republikanern geführten Bildungsausschuss. Die Abgeordnete Elise Stefanik fragte die Präsidentinnen, ob der «Aufruf zum Völkermord an den Juden» an ihren Universitäten gegen Richtlinien zu Mobbing und Belästigung verstosse. «Das kann sein, abhängig vom Kontext», antwortete Harvard-Präsidentin Claudine Gay. Auf die Aufforderung, mit «Ja» oder «Nein» zu antworteten, sagte Gay erneut, das hänge vom Kontext ab.

Die anderen Präsidentinnen äusserten sich ähnlich. Die Argumentation: Die Universitäten seien der freien Meinungsäusserung verpflichtet. Das gelte auch bei Ansichten, die anstössig, beleidigend und hasserfüllt seien. «Wenn das Reden in ein Verhalten übergeht, kann es sich um Belästigung handeln», sagte Magill. Sie fügte ebenfalls hinzu: «Es ist eine kontextabhängige Entscheidung». Dass keine der Frauen Stefaniks Frage mit einem klaren «Ja» beantwortete, sorgte für Aufsehen, auch in Europa.

Später veröffentlichte Magill ein Video, in dem sie sich noch einmal erklärte. Sie sagte, sie habe sich in der Anhörung zu sehr auf den Grundsatz konzentriert, der besage, dass die freie Rede allein nicht strafbar sei, so wie es auch in der Verfassung stehe. Sie hätte aber sich stärker auf die unwiderlegbare Tatsache konzentrieren sollen, dass der Aufruf zum Völkermord am jüdischen Volk ein Aufruf zu einer der schrecklichsten Gewalttaten sei, die ein Mensch überhaupt begehen könne.

Das Recht zur freien Meinungsäusserung ist in den USA im ersten Zusatzartikel der Verfassung geregelt und hat eine Sonderstellung. Im Vergleich zu Deutschland wird dieses Recht weiter ausgelegt. So ist es zum Beispiel erlaubt, eine Hakenkreuzflagge zu zeigen. Auch der Umgang mit Hassrede ist ein anderer.

Grossspender zieht sich zurück

Der Druck auf die Magill wuchs in den vergangene Tagen enorm. Neben Rücktrittsforderungen auf dem Campus gab es auch aus der Politik heftige Reaktionen. Der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, bezeichnete ihre Äusserungen als inakzeptabel und beschämend. Ein wichtiger Geldgeber der University of Pennsylvania zog ein Spende in Höhe von rund 100 Millionen US-Dollar (rund 93 Millionen Euro) zurück und forderte ebenfalls den Rücktritt.

Auch ein Sprecher des Weissen Hauses fand deutliche Worte. «Es ist unglaublich, dass dies gesagt werden muss: Aufrufe zum Völkermord sind ungeheuerlich und stehen im Widerspruch zu allem, was wir als Land repräsentieren», zitierten US-Medien den Sprecher Andrew Bates. Jegliche Äusserungen, die die systematische Ermordung von Juden befürworteten, seien gefährlich und man müsse sich ihnen entschieden entgegenstellen.

Der Streit über den Konflikt in Nahost hat sich in den vergangenen Wochen auch an Universitäten und Schulen in den USA entladen. US-Medien berichteten über Vorfälle körperlicher Gewalt oder deren Androhung. Auf Schulgeländen tauchten antisemitische und rassistische Graffitis auf. Auf online kursierenden Videos war zu sehen, wie junge Menschen Poster mit Fotos der Hamas-Geiseln herunterreissen.

Das US-Bildungsministerium hatte wegen antisemitischer und islamophober Vorfälle an US-Bildungseinrichtungen Ermittlungen eingeleitet – darunter gegen Harvard, und die Elite-Universitäten Columbia und Cornell.

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