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Der Bund muss sparen, doch die Bürgerlichen wollen die Steuern senken

Das Parlament gibt mehr Geld aus als reinkommt. Dem Bundeshaushalt geht es entsprechend schlecht, Finanzministerin Karin Keller-Sutter muss sparen. Ausgerechnet in dieser Situation wollen die Bürgerlichen die Steuern für den Mittelstand senken.

Drei Milliarden Franken: So viel Geld fehlt dem Bund ab 2027. Für Finanzministerin Karin Keller-Sutter ist klar, die Ausgaben wachsen zu rasch. Besonders ins Gewicht fallen etwa das steigende Armeebudget sowie die Ausgaben aus der Bundeskasse für die AHV. Es brauche deshalb strukturelle Massnahmen, sagte Keller-Sutter am Mittwoch vor den Medien. Nicht nur wegen der Schuldenbremse, sondern auch, um wieder finanzpolitischen Spielraum zu gewinnen. «Die Verfassung gibt uns den Auftrag, Ausgaben und Einnahmen in Einklang zu halten», sagte Keller-Sutter weiter.

Die Finanzministerin will bei den Ausgaben ansetzen. Ihr Departement nimmt deshalb eine Überprüfung der Aufgaben und Subventionen des Bundes in Angriff. Nicht infrage kommt für Keller-Sutter eine Erhöhung der Steuern. Höhere Steuern würden nur neue Begehrlichkeiten wecken.

Dem Bund stehen also harte Zeiten bevor – selbst die liberale «NZZ» fordert eine Sondersteuer für die Armee. Doch ausgerechnet in dieser Situation schickt sich die Wirtschaftskommission des Nationalrates an, die Steuern für den Mittelstand zu senken. Sie nahm diese Woche – mit Stichentscheid des Kommissionspräsidenten Thomas Aeschi (SVP/ZG) – eine parlamentarische Initiative von Thomas Burgherr (SVP/AG). Ziel dieses Vorstosses: der Ausgleich der sogenannten «warmen Progression». Steigen die Löhne dank gesamtgesellschaftlichen Produktivitätswachstums real, greift der Staat nämlich nicht ein. Die Folge: Nach und nach klettern die Erwerbstätigen die Steuertarifstufen hoch. Und sie tun dies aufgrund des progressiven Steuersystems schneller, als sie die Lohnstufen erklimmen können.

Die Denkfabrik Avenir Suisse hat ausgerechnet, dass zwischen 2010 und 2020 die Reallöhne um durchschnittlich 8,43 Prozent gestiegen sind, was bei der direkten Bundessteuer zu einer Zunahme der Steuerbelastung für die Einkommen natürlicher Personen um 16,14 Prozent geführt hat. Der Bund hat so allein 2020 800 Millionen Franken mehr eingenommen, als wenn die Steuerschuld lediglich proportional, also um 8,43 Prozent gestiegen wäre.

Weil die Steuerprogression gegen oben abflacht, betrifft die warme Progression insbesondere den Mittelstand und nicht die Superreichen. Auch dies hat Avenir Suisse berechnet. Unter den Verheirateten hat der allgemeine Reallohnanstieg der letzten zehn Jahre dazu geführt, dass die einkommensstärksten 5 Prozent der Haushalte 2019 60,6 Prozent des auf Bundesebene anfallenden Steuervolumens berappten, während es zehn Jahre zuvor noch 63,3 Prozent waren.

Das Problem liesse sich relativ einfach beheben. Die Steuertabellen müssten nicht nur nicht jährlich an die Konsumentenpreise angepasst werden (was man macht, um die kalte Progression auszugleichen), sondern zusätzlich auch an den Nominallohnindex.

Die WAK will nun also künftig diese warme Progression ausgleichen – um den Mittelstand zu entlasten. Die SP wiederum tobt, damit würden Spitzenverdiener subventioniert, die Solidarität des Steuersystems untergraben und das Prinzip nach der Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit infrage gestellt.

Offen ist, ob die Ständeratskommission ebenfalls Gefallen findet am Vorstoss von Thomas Burgherr. 2019 lehnte es die kleine Kammer ab, die warme Progression auszugleichen. Ausschlaggebend war damals die Mitte-Partei. Auch der Bundesrat wollte davon nichts wissen.