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Nach Kritik an Verhaltenskodex wegen Abschnitten zu Sexualität: Reformierte Landeskirche wagt neuen Versuch

Die reformierte Landeskirche hat einen Verhaltenskodex zur Prävention von Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen überarbeitet. Vor drei Jahren sorgten die Richtlinien für Kritik. Vereinzelte Mitarbeitende sahen ihre Haltungen in Bezug auf Homosexualität infrage gestellt.

Alttestamentarisch klänge es wohl so: «Du sollst nicht diskriminieren.» Im 21. Jahrhundert formuliert die Reformierte Kirche Aargau ihren Kodex so:

Jegliche Form von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Identität ist zu unterlassen. Einzelne biblische Aussagen über Sexualität werden nicht für diskriminierendes Verhalten über sexuelle Orientierung oder Identität genutzt.

Dieser Auszug aus dem Abschnitt «Sexualität und Sexualmoral» sorgte vor rund drei Jahren unter anderem für Diskussionen. Mit einem Verhaltenskodex für Mitarbeitende der reformierten Landeskirche wollte der Kirchenrat Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen in der Kirche vorbeugen. 2018 sprach sich das Kirchenparlament diskussionslos für den Kodex aus. Eine Arbeitsgruppe und eine Fachstelle formulierten daraufhin die entsprechenden Empfehlungen, im Oktober 2020 verschickte der Kirchenrat den Verhaltenskodex – und erntete Widerstand. Über 20 Personen weigerten sich, den Kodex zu unterschreiben, oder äusserten grosse Vorbehalte.

Nun startet der Kirchenrat einen neuen Anlauf, wie das Fachportal reformiert.info berichtet. Eine Arbeitsgruppe, in der auch Kritiker mitgearbeitet hatten, überarbeitete den Kodex: Die eingangs zitierte Formulierung von 2020 klingt nun leicht anders: «Kirchlich Tätige gehen bewusst und sensibel mit Aussagen im Bereich Sexualität um und vermeiden herabwürdigende Bemerkungen zu Lebensentwürfen, die nicht ihren eigenen entsprechen.»

Kritik kam insbesondere von evangelikalen Mitarbeitenden

Es war keine grundsätzliche Opposition, die dem Kirchenrat vor drei Jahren entgegen schwappte. Alle seien sich einig, dass gegenüber Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen eine Nulltoleranz gelte, sagte Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg damals.

«Wir haben von damals gelernt»: Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg setzt im neuen Kodex auf offenere Formulierungen.
Bild: Mathias Förster

Doch einige Mitarbeitende mit evangelikalem und strikt bibeltreuem Glaubensverständnis störten sich auch am Abschnitt «Geistliche Manipulation als Form von Machtmissbrauch». Der Zwang zu geistlichen Handlungen wie Bekehrung oder Vergebung sei zu unterlassen, hiess es damals etwa. Die Kritiker des Abschnitts befürchteten, ihre Ansichten zur Homosexualität und zu den Rollen von Frau und Mann könnten als manipulativ ausgelegt werden.

Nun wurden offenere Formulierungen gewählt: Wenn kirchliche Mitarbeitende, insbesondere solche in einer Machtposition, Glauben oder Werte vermitteln, sei die spirituelle Selbstbestimmung anderer zu achten, heisst es neu. Oder: «Unabhängig von persönlichen Überzeugungen respektieren kirchlich tätige Personen die Vielfalt der in einer pluralistischen Gesellschaft faktisch gelebten Lebensstile, sexuellen Orientierungen und Identitäten und fördern die gegenseitige Achtung unter Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen.»

«Wir haben von damals gelernt», zitiert reformiert.info Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg, der auch die Arbeitsgruppe geleitet hat. «Man unterschreibt nur die Kenntnisnahme, nicht eine bestimmte Haltung.» Er zeigt sich zuversichtlich, dass der Kodex nun auf Anklang stösst. Die überarbeitete Version soll dieser Tage in den Briefkästen der Aargauer Landeskirchenmitglieder landen.

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