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Die Nacht der «Dambusters» – als die Alliierten Nazi-Deutschland mit einem einzigen Angriff besiegen wollten

Der Sprengung des Kachowka-Staudamms gehen in der Kriegsgeschichte mehrere Beispiele voraus – der aussergewöhnlichste ereignete sich vor fast genau 80 Jahren.

Das Ziel: die drei Staudämme der Flüsse Möhne, Eder und Sorpe. Die Absicht: mit einem einzigen Angriff das Ruhrgebiet unter Wasser zu setzen. Die erhoffte Folge: Nazi-Deutschland das Herz seiner Rüstungsindustrie auszureissen.

Die Idee, mit der Zerstörung von Dämmen vorrückende Feinde aufzuhalten, war nicht neu. Knapp zwei Jahre zuvor – am 18. August 1941 – hatten Einheiten des sowjetischen Geheimdienstes NKWD das damals grösste Wasserkraftwerk Europas in Saporischschja gesprengt (siehe Box).

Die Sprengung der Dnjeprostroj-Staumauer 1941

Die Sprengung des Dnipro-Staudamms im Sommer 1941 wird heute generell als unnötige Verzweiflungstat der sich vor Hitlers Angriffsarmeen zurückziehenden Sowjets taxiert. Durch das Loch in der Staumauer schoss eine Flutwelle von 100 Millionen Kubikmetern den Dnipro hinunter. Schätzungen gehen von 20’000 bis 100’000 ertrunkenen Ukrainerinnen und Ukrainern aus. Die nachfolgende Eroberung der Ukraine konnte diese Selbstzerstörung jedoch nicht verhindern. Im Gegenteil ertranken zahlreiche sowjetische Soldaten, die sich nicht mehr rechtzeitig retten konnten. Anfang 1943 nahmen die deutschen Besatzungstruppen das reparierte Kraftwerk wieder in Betrieb; der von der Nazi-Propaganda gefeierte Wiederaufbau des Staudamms dauerte von Februar bis Dezember 1942. (bos)

Doch das hier war im Frühjahr 1943 etwas Neues. Es ging darum, aus der Luft tief im Feindesland liegende Staudämme zu brechen, die zudem durch Flugabwehrkanonen und Anti-Torpedonetze bestens geschützt waren.

Der «Dambuster-Raid» (etwa: Dammzerstörer-Angriff) in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 machte zwei Briten zu Nationalhelden: den Bomberpiloten und Staffelkommandanten Guy Gibson sowie den Ingenieur Barnes Wallis.

Ein britischer «Lancaster»-Bomber beim Übungsabwurf der über die Wasseroberfläche hüpfenden Wallis-Fassbombe.
Bild: Wikicommons

Wallis konstruierte jene Fassbombe, die mehrfach über das Wasser hüpfend alle Netzsperren übersprang, ehe sie im Beton der Staudamm-Mauer einschlug. Und Gibson lenkte die Flugzeuge seiner 617. Bomberstaffel derart präzise, dass diese tatsächlich alle drei Ziele im Ruhrgebiet erreichte – trotz Nacht und heftiger deutscher Gegenwehr.

Der Spezialeinsatz unter dem Decknamen «Operation Chastise» (Züchtigung) war einen Monat lang intensiv geprobt worden, ohne dass die Besatzungen der «Lancaster»-Bomber Details zum Ziel erfuhren. Als es ernst galt, wurden 8 der 19 eingesetzten Flugzeuge abgeschossen. 53 von 133 britischen Fliegern bezahlten den tollkühnen Angriff mit ihrem Leben, 3 gerieten in Kriegsgefangenschaft.

Auf deutscher Seite hiess es, dass rund 1300 Zivilpersonen in den Fluten der nachfolgenden Überschwemmung ertranken. Ihre strategische Absicht verfehlten die alliierten Angreifer jedoch: Die Wasser der beiden durchlöcherten Möhne- und Edersperren verliefen sich schnell, ohne die Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet wesentlich behindert zu haben. Das dritte Angriffsziel, die Staumauer am Sorpesee, blieb trotz Treffern intakt.

Trotzdem feierten die Briten den Angriff als gewaltigen militärischen Erfolg und ersten Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg. Der Angriff «verlieh der britischen Bevölkerung 1943 einen wesentlichen Moral-Schub», schreiben die Historiker des «Imperial War Museum» in London. Noch heute ist den meisten Britinnen und Briten der Dambuster-Raid geläufig, und sei es bloss wegen des populären Spielfilms von 1955 «The Dam Busters» oder seither zahlreich erschienener TV-Dokumentationen.

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