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Auf dem Nutzihof in Strengelbach wächst die goldgelbe Frucht im Pelzmantel 

Ein Gespräch mit Nadia und David Götschmann – sie gehören zu den wenigen Quittenproduzenten der Region.

«Nein, sie sind noch nicht reif», sagt David Götschmann am Telefon, «Sie dürfen aber trotzdem vorbeischauen». Der Weg zum Strengelbacher Nutzihof führt zuerst durch ein Fahrverbot mit Zubringerdienst, der letzte Teil über eine schmale Betonpiste, die mitten durch Weideland führt. «Unser Hof hier ist ein Ersatzbau», erklärt Götsch­mann die etwas unkonventionelle Zufahrt, der ursprüngliche Nutzihof sei im Rahmen der Wiggerkorrektion und des Autobahnbaus in den 1970er-Jahren abgerissen worden. Ein Hof, der zu den ältesten Bauten der Gemeinde Strengelbach ausserhalb des Dörflis zählte, wie in der von Markus Widmer-Dean verfassten Ortsgeschichte nachzulesen ist. Nadia und David Götschmann führen den Hof in fünfter Generation.

Der Quittenanbau ist für Familie Götschmann ein Nebenerwerbszweig. «Wir sind Milchbauern und betreiben Futterbau», betont der Strengelbacher Landwirt, der den Hof 2010 übernommen hat. Und trotzdem ist den Götschmanns auch die Pflege der alten Quitten­bäume wichtig. «Eine Herzens­angelegenheit», sagt Nadja Götsch­mann. Denn die Quittenbäume blühen im Frühling schön und seine Früchte sind bis weit in den Herbst hinein ein schöner Farbtupfer in der Landschaft. Die frühesten Sorten werden im September gelesen, die Hochsaison dauert dann von Oktober bis in den November hinein. Trotzdem: Eine Schale voll grosser Quitten steht doch schon auf dem Tisch – allerdings handelt es sich bei den Früchten um Fallobst.

Quittenbäume sind bis weit in den Herbst hinein schöne Farbtupfer in der Landschaft – auch wenn sie nur wenige Früchte tragen.
Bild: zvg

«Quitten sind erst reif, wenn sie sich gelblich verfärben», erklärt Nadia Götschmann, und vor allem müssten sie betörend duften. Es sei verlorene Liebesmüh, grüne Quitten zu verarbeiten, sagt sie weiter, die würden nach Nichts schmecken. Nachreifen würden sie zwar, aber mit der Lagerung sei Vorsicht geboten. «Quitten sind äusserst druckempfindlich, deshalb sollten sie in einem kühlen Keller möglichst einlagig ausgelegt und aufbewahrt werden», sagt sie.

Gesund und vielfältig ­verwendbar

Sind die reifen, goldgelben Früchte erst einmal geerntet, kann man sie äusserst vielfältig verwenden. Allerdings ist die Verarbeitung der Frucht recht aufwendig. Denn roh sind die hierzulande angebauten Quittensorten ungeniessbar. «Besonders wichtig ist, dass der die Quitten umgebende Flaum sorgfältig und restlos entfernt wird», sagt Nadia Götschmann, sonst werde das verarbeitete Produkt bitter. Dann aber kann die Frucht, die sehr gut mit Käse harmoniert, vielfältig verarbeitet werden: Gelee, Konfitüre, Wähe, Creme, Kuchen, Kompott, Chutney oder als Zutat in Gratins. Und Reste können sehr gut zu Quittenpästli verwertet werden. Nadja Götschmann stellt regelmässig Quittengelee her. Die Verarbeitung sei durch die lange Kochzeit allerdings sehr aufwendig, betont sie. Seit 2018 werden die Quitten auch eingemaischt. «Wir stellen einen Quittenbrand und einen etwas weniger starken Quittenlikör her», verrät David Götsch­mann.

Seit Jahrhunderten ist das Kernobst auch als Heilmittel bekannt. In Salben oder Cremes helfen Quittensamen bei rissiger Haut und rissigen Lippen. Daneben enthält die Quitte viele gesunde Inhaltsstoffe wie Kalium, Kalzium und Eisen und ist reich an Vitaminen, vor allem Vitamin C.

20 Quittenbäume, die entlang der Autobahn stehen, nennen die Götschmanns ihr eigen. In guten Jahren können sie mehr als eine Tonne Quitten ernten. Dieses Jahr sieht es allerdings wenig vielversprechend aus. «Die Ernte wird gering ausfallen», ist sich David Götschmann sicher, viele Früchte seien runtergefallen und jene an den Bäumen noch nicht reif. Ausweichen auf den Grosshandel können Quittenliebhaber kaum, denn der führt die gelbe Frucht eher selten im Angebot. Wer Glück hat, wird auf dem Wochenmarkt oder im Hofladen fündig und dort auch qualitativ hochwertige Produkte finden. Auch die Götsch­manns verkaufen ihre Früchte auf Anfrage direkt ab Hof, beliefern aber auch die Landi.

Eine voll ausgereifte Quitte muss sich gelblich verfärben. 
Bild: zvg

Quittenbäume sind anfälllig auf Feuerbrand

Dass das Angebot so dünn ist, hat aber noch einen anderen Grund: Die Quittenbäume sind besonders anfällig auf die hochansteckende Feuerbrandkrankheit, die seit 1989 in der Schweiz wütet. Der Baum geriet in Verruf als Infektionsherd für Apfel- und Birnbäume. Entsprechend viele Quittenbäume wurden gerodet und nicht wieder ersetzt. Wurden im Schweizer Feldobstbau 1951 noch 113000 Quittenbäume gezählt, so waren es 1991 nur noch rund 50000. «Gegen Feuerbrand gibt es kein Mittel», sagt David Götschmann. Es gelte, die Bäume regelmässig auf einen eventuellen Befall zu kontrollieren und betroffene Teile vorsichtig und grosszügig bis auf das gesunde Holz herunterzuschneiden sowie das entfernte Holz zu verbrennen.

Ansonsten ist die Quitte eine genügsame Frucht: Der Baum schätzt viel Sonne und trockenen, nährstoffreichen Boden. Nur Staunässe bekommt ihm nicht. Den Kontrollaufwand wollen die Götschmanns weiterhin gerne auf sich nehmen. «Die Bäume gehören zum Nutzihof und sie sollen auch weiterhin dort bleiben», betonen sie. Denn eigentlich ist die Quitte eine Superfrucht, auch wenn sie leider etwas in Vergessenheit geraten sei.

Der ursprüngliche Nutzihof gehörte zu den ältesten Bauten in Strengelbach ausserhalb des Dörflis.