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Wir hofften auf ein elektrisierendes Derby und sehen einen langweiligen letzten EM-Test unserer Nati gegen Österreich

Positiv: Die Schweizer Nati bleibt in diesem Jahr ungeschlagen. Negativ: Beim 1:1 gegen die hochgehandelten Österreicher offenbart unsere Nati einmal mehr Defizite im Offensivspiel.

Vielleicht ist der Wunsch Vater des Gedankens. Trotzdem ist dieses Gefühl da, es könnte ein elektrisierendes Spiel zwischen der Schweiz und Österreich werden. Hier die Nati, die beim 4:0 gegen Estland insbesondere in der zweiten Halbzeit phasenweise begeisterte. Dort die Österreicher, die momentan ziemlich gehypt werden, weil sie in diesem Jahr noch kein Spiel und letztes Jahr nur einmal verloren haben und mit einem Sieg gegen Deutschland ein lautes Ausrufezeichen setzten. Dazu viele Gäste-Fans im ausverkauften Kybunpark. Kurz: Eine Partie mit Derbycharakter.

Aber halt auch der letzte Test vor der EM. Was dann häufig darauf hinausläuft, dass nach 90 Minuten ein bisschen mehr als nur die Reserve im Tank bleibt. Schon bald wird offensichtlich, dass keine der beiden Mannschaften bis ans Äusserste gehen will. Schlicht auch, weil in einer solchen Begegnung, selbst wenn es ein Nachbarschafts-Duell ist, der Thrill fehlt. Sonst würde es ja auch nicht Freundschaftsspiel heissen.

Und wieder eine Tor-Panne in St. Gallen

Doch ein bisschen Spannung gibt’s trotzdem. Schon vor dem Anpfiff. Weil bei einem Tor etwas nicht in Ordnung ist, kann die Partie nicht pünktlich angepfiffen werden. Erinnerungen werden wach an 2021. Im WM-Qualifikationsspiel gegen Litauen kam es ebenfalls in St.Gallen zu einer Tor-Panne und einer 18-minütigen Verzögerung, weil ein Gehäuse mindestens sechs Zentimeter zu hoch war. Im Unterschied zu damals müssen sich die Zuschauer nicht lange gedulden. Vier Minuten nach 18 Uhr kann der Match gegen Österreich angepfiffen werden.

Christoph Baumgartner (links), hier im Zweikampf mit Zeki Amdouni, erzielt das 1:0 für die Österreicher.
Bild: Freshfocus

Und wenig später reiben wir uns verwundert die Augen. Christoph Baumgartner kommt nach einem Fehlpass von Dan Ndoye in der eigenen Hälfte an den Ball. Remo Freulers Versuch, den Offensivspieler von RB Leipzig vom Ball zu trennen, ist maximal eine Alibi-Übung – oder dem Testspiel-Charakter geschuldet? Auch Nico Elvedi stellt sich ziemlich ungeschickt an, weshalb Baumgartner etwa 70 Meter mit dem Ball am Fuss über den Platz laufen kann und vor Goalie Yann Sommer zum 1:0 trifft. Damit hat Baumgartner in jedem der letzten fünf Spiele einmal getroffen.

Yakin ist geschockt

«Da ist alles falsch gelaufen, was falsch laufen kann», moniert Nati-Trainer Murat Yakin. «Das darf uns so nicht passieren. Das hat uns zwar geschockt, aber wir haben uns nicht irritieren lassen.»

Immerhin, das Verhalten beim Gegentreffer bleibt die einzige Peinlichkeit unserer Nati. Und sie lässt sich durch den frühen Rückschlag nicht aus der Bahn werfen. Das immerhin zwei positive Punkte nach einem sehr ereignisarmen Spiel, weil halt auch die Österreicher lange Zeit erstaunlich verhalten agierten.

Österreichs Trainer Ralf Rangnick moniert: «In der ersten Halbzeit haben wir die Grundtugenden vermissen lassen. Wir hatten kaum Sprints, agierten ohne das nötige Energieniveau. Deshalb lautete in der Pause meine Botschaft an die Mannschaft: Es gibt nicht nur ein bisschen. Man ist auch nicht nur ein bisschen schwanger. Entweder man ist es oder nicht.»

Ein Aussenverteidiger sorgt für das 1:1 – Silvan Widmer

Entsprechend mau ist die Stimmung auf den Rängen. Zwar ist die Schweiz nach dem Gegentreffer bald mal die dominante Equipe. Aber von brillant ist ihr Auftritt weit entfernt. Amdouni verpasst den Ball nach einem Durchbruch von Ndoye. Abgesehen davon bleiben aufregende Offensivaktionen der Nati bis zum Spielende aus. Bis auf jene eine Szene, die den Ausgleich bringt. Ruben Vargas setzt sich gegen Flavius Daniliuc durch, zieht ab, Ex-GC-Goalie Heinz Lindner lässt abprallen und Silvan Widmer erbt zum 1:1.

Was die Schweizer in der zweiten Halbzeit bieten, ist in etwa so aufregend wie tiefer, entspannter Schlaf. Über lange Phasen lassen sie sich gar dominieren, ohne dabei aber Gefahr zu laufen, diese Partie zu verlieren. Einzig in der 82. Minute geht der Puls etwas hoch, als Florian Gregoritsch aus bester Position zum Abschluss kommt. Doch Sommer pariert den Schuss des Freiburg-Stürmers.

Soll man nun hadern nach dieser Leistung unserer Nati? Nein, dazu gibt es keinen Grund. Die Engländer, die am Freitag 0:1 gegen Island verloren haben, wären froh, sie hätten unsere Probleme. Die Partie gegen Österreich ist so etwas wie ein Muster ohne Wert. Schlicht, weil nichts auf dem Spiel steht, weil es auch darum geht, sich so kurz vor dem Turnier nicht zu verletzen.

Rangnick sagt: «Alle loben uns. Wir gelten als einer der Geheimfavoriten. Und verletzen will sich im letzten Spiel vor der EM auch keiner. Und schon macht man auf dem Platz ein bisschen weniger. Das ist zwar menschlich, hilft uns aber nicht.»

Steven Zuber muss angeschlagen raus

Apropos Verletzung: Trainer Murat Yakin musste bereits in der ersten Halbzeit einen Wechsel vornehmen. Steven Zuber musste mit Wadenproblemen raus. Fabian Schär fehlte auf dem Matchblatt, weil er angeschlagen ist. Breel Embolo und Denis Zakaria sind frühestens während der EM-Gruppenphase einsatzfähig.

Murat Yakin: «Hoffentlich ist es nichts Schlimmeres bei Steven Zuber.»
Bild: Freshfocus

«Ich fahre mit einem positiven Gefühl an die EM, weil wir gegen einen robusten Gegner dagegengehalten haben», resümiert Yakin. «Wir sind zwar schlecht gestartet. Hatten danach aber gute Lösungen und waren gut organisiert.»

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