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Abstimmung über die 13. AHV-Rente: Boomer sichern sich ihre Privilegien

«Das Schweizervolk und die Kantone, (…) in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung:»

Die Präambel unserer Bundesverfassung ist für mich in der politischen Arbeit immer eine Art Leitstern gewesen. Sie enthält einen Werte­kanon, der über 175 Jahre lang in grossen Teilen aktuell geblieben ist. Ein kurzer Text, den meiner Meinung nach jede und jeder kennen muss.

Der Teilsatz «im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen» verankert – neben der grundsätzlichen Generationen­gerechtigkeit – auch den Grundgedanken des Generationenvertrages. Der Idee, dass es zwischen der rentenzahlenden und beitragsbeziehenden Generation einen ungeschriebenen Pakt gibt. Der Generationenvertrag begründet die Verpflichtung der arbeitenden Bevölkerung, die Renten der Pensionierten zu finanzieren – in der Erwartung, dass die nächste Generation dasselbe tun wird.

Die Hoffnung, dass die künftige Generation auch einmal meine AHV bezahlen wird, wurde am vorletzten Sonntag geschmälert. Das deutliche Ja zur 13. AHV-Rente ist unter anderem eine Abkehr der Stimmbevölkerung vom Generationenvertrag. Einer Stimmbevölkerung, die sich – auf dem Buckel künftiger Generationen – primär um das eigene Wohl zu sorgen scheint.

Ich kann gewisse Gründe, die eine Mehrheit der Stimmbevölkerung zu einer Ja-Stimme bewogen haben, durchaus nachvollziehen. Trotzdem ist das deutliche Ja zur 13. AHV Rente meiner Meinung nach erneut eine Abstimmung, die eine Nach-mir-die-Sintflut-Haltung der Stimmbevölkerung zeigt.

Es gibt zahlreiche Politikbereiche, in denen zurzeit die Boomer-Generation daran arbeitet, ihre Macht und ihre Privilegien zu sichern. Das ist die unschöne Seite der schweizerischen Demokratie, die mich derzeit stark beschäftigt. Selbstverständlich gilt es, demokratisch legitimierte Entscheidungen zu akzeptieren und mitzutragen. Als junge Person, die noch lange in diesem Land leben möchte, schmälert die überalterte Stimmbevölkerung aber meine Hoffnungen, dass auch meine und künftige Generationen im Alter noch eine AHV-Rente haben werden.

Pandemie: Junge Menschen opfern ihre Freiheiten zugunsten der Älteren. Klimapolitik: nicht mehr ein Boomer-Problem, Hauptsache, keine Verbote. AHV-Finanzierung, schauen wir dann später, jetzt steht mir erst mal eine 13. Rente zu. Junge sollen nicht mit 16 wählen und abstimmen können, aber verwahren würden wir sie gerne können.

So fühlt sich die Politik für junge Menschen an. In diesem Gesamtkontext macht es eher wenig Spass, Ihnen, liebe Boomer & Co., monatlich Ihre Renten zu finanzieren – künftig vermutlich mit merklichen grösseren Lohnabzügen. Denn – und das ist ja der Witz – wie die jährlich fünf Milliarden zusätzlichen AHV-Franken finanziert werden, haben die Initiantinnen und Initianten der 13. AHV-Rente noch nicht geklärt.

Einen Ausbau des Sozialstaates an die Urne zu bringen, ohne die Frage der Finanzierung geregelt zu haben, ist höchst sozialdemokratisch. Der Staat hat zu bezahlen; woher das Geld kommt, ist eigentlich egal. Irgendwo wird man es schon finden. Ich hoffe inständig, dass die Umsetzung der 13. AHV-Rente generationenverträglich ausgestaltet wird. Damit die Zukunftshoffnung der jungen Generation nicht noch mehr bröckelt.