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Die SVP will Selensky nicht anhören – und verfestigt das Bild einer kaltherzigen Schweiz

Die grösste Partei der Schweiz will der Rede des ukrainischen Staatspräsidenten im Parlament fernbleiben. Warum das ein Fehler ist.

Neu ist die Idee nicht: Vor der SVP boykottierte schon eine chinesische Delegation am WEF und die Fraktion der österreichischen Rechtspartei FPÖ eine Rede von Wolodymyr Selenskyi, dem ukrainischen Staatspräsidenten. Wenn dieser heute zur Schweizer Bundesversammlung spricht, möchte auch die grösste Partei der Schweiz fernbleiben.

Das ist zunächst ein Signal gegen innen. Noch vor einem Jahr hat sich Parteipräsident Marco Chiesa gegen Anwürfe verteidigt, die SVP sei die Heimat der Putin-Versteher. Klarer denn je zeigt sich nun: Final hat sich der Kurs von Nationalrat Roger Köppel durchgesetzt, der zwar international gesuchten russischen Kriegsverbrechern sein Ohr leiht, den ukrainischen Staatspräsidenten aber nicht anhören mag. Paradox auch, dass ausgerechnet jene Partei eine fremde Meinung nicht aushält, die sonst permanent auf das Recht der freien Meinungsäusserung pocht.

Der Trotz der SVP ist aber auch eine Absage an die internationale Wertegemeinschaft, die in der Ukraine die Demokratie verteidigt sieht. Das strahlt über die Landesgrenzen hinaus: Die prorussischen Hacker, welche Schweizer Behörden-Webseites angreifen, fraternisieren sich mit der Volkspartei, weil sie die SVP als verbündet wähnen.

Dies alles könnte man als pubertäre Polemik abtun, als Wahlkampfposse vielleicht auch. Aber dafür ist der Hintergrund zu ernst. Seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine häufen sich die Negativschlagzeilen um eine Schweiz, die ihre Neutralität zu rechtfertigen versucht. Angesichts des unsäglichen Leids der Ukraine sich mit formalistischen Begründungen um eine Rede zu drücken, verfestigt das Bild einer kaltherzigen Bürokratie.