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Entspannt euch!

Eine Umfrage gibt zu reden: Frauen wollen lieber einen reichen Mann heiraten statt beruflich durchzustarten. Die Debatte wird emotional geführt. Weshalb nur?

«Die meisten Studentinnen wollen lieber einen erfolgreichen Mann als selber Karriere machen»: Mit dieser Schlagzeile – beruhend auf einer Umfrage unter 10’000 Studierenden – löste die Sonntagszeitung eine Polemik aus. In den sozialen Medien gingen die Wellen hoch. Die Meinungen waren schnell gemacht.

Die interessierten Kreise teilten sich in zwei Lager.

Nonsense, sagte die eine Seite. Politisch gefärbt sei die Studie. Die Studienautorinnen – eine davon erst noch Kolumnistin beim rechtsbürgerlichen «Nebelspalter» – hätten herausgefunden, was sie hören wollten. Die Ausgestaltung der Umfrage? Manipulativ.

Eine bekannte Politologin mutmasste auf Twitter gar, dass Männer die Umfrage manipuliert hätten. Dass es Frauen gibt, die tatsächlich lieber den Kindern schauen als Karriere machen? Ausgeschlossen! Alles eine Frage der Rahmenbedingungen. Wenn sich Beruf und Familie besser vereinen liessen … ja dann würden alle Frauen gerne Karriere machen.

Endlich, sagte hingegen die andere Seite. Sie sah sich darin bestätigt, was doch schon lange klar sei. Die ganze Gleichstellungspolitik sei gescheitert. Es brauche keine günstigeren Kita-Tarife, keine Elternzeit, keine Lohnanalysen und schon gar keine Frauenquoten. Die Frauen? Sie wollen einfach nicht. «Familie macht viele Frauen glücklich», titelte die NZZ in einem Kommentar. Von Diskriminierung könne keine Rede sein. Die rechtliche Gleichstellung ist längst erreicht; zusätzliche Massnahmen überflüssig.

Selbstredend beziehen sich beide Seiten auf wissenschaftliche Studien.

Die beiden Lager sind unversöhnlich. Weshalb, so fragt man sich, sind beim Thema Frauen und Gleichstellung immer alle so schnell empört? Weshalb ist eine vernünftige Diskussion unmöglich?

Die laute Auseinandersetzung erinnert an die Debatte um die Teilzeitarbeit. Auch hier sind die Fronten emotional verhärtet. Entweder ist man pro Teilzeit oder contra Teilzeit. Das musste kürzlich auch Ökonomin Monika Bütler nach einem Interview in der NZZ feststellen. Sie wurde kurzerhand dem Contra-Lager zugeschlagen. Weil sie ganz nüchtern feststellte, dass das Steuer- und Transfersystem auf Menschen ausgelegt ist, die Vollzeit arbeiten. Ganz so, als ob die Welt schwarz oder weiss sei.

Die Themen Gleichstellung und Teilzeitarbeit sind miteinander verknüpft. Sie lösen Emotionen aus, weil sie zeigen, wie die Gesellschaft im Wandel begriffen ist. Kommt dazu, dass jede und jeder mitreden kann: Aus eigener Erfahrung oder aus Beobachtungen seines Umfeldes. Weil jede und jeder am liebsten von sich selbst auf andere schliesst. Weil es auch um einen Verteilungskampf geht; nämlich um die Frage, ob es mehr öffentliche Gelder für die Gleichstellung braucht. Und im Kern, wie privat Kinder sind.

«Entspannt euch mal», würde man den beiden Lagern gerne zurufen. Denn im Grunde wissen wir alle: Die Gleichstellung ist eine komplexe Angelegenheit. Sie lässt sich nicht auf die Frage: Kinder und reicher Mann oder Karriere reduzieren. Die Antworten sind vielschichtiger. Jeder kennt aus seinem persönlichen Umfeld die verschiedensten Konstellationen und Lebensentwürfe.

Ja, es gibt sie, die Kommilitonin, die freiwillig und bewusst in einem tiefen Pensum arbeitet und sich um die Familie kümmert, während der Mann seine Karriere verfolgt. Ja, es gibt die Paare, wo bezahlte und unbezahlte Arbeit gleich verteilt sind. Ja, es gibt Frauen, die mehr verdienen als ihre Männer – und diese nicht damit umgehen können.

Ja, es gibt Frauen, die weniger verdienen als ihr Partner und lieber zu Hause bleiben. Ja, es gibt auch Frauen, die mehr arbeiten als ihre Männer. Ja, es gibt Frauen, die beim Lohn diskriminiert werden und an gläserne Decken stossen. Und ja, viele Frauen arbeiten auswärts ein bisschen weniger als ihre Männer – und sind dabei zufrieden.

Entscheidend ist, dass die Frauen eine Wahl haben – und wissen, was tiefe Pensen etwa für die Altersvorsorge bedeuten. Und dass die Wahl nicht beeinträchtigt wird durch fehlende Rahmenbedingungen und tradierte Rollenbilder.

Am Sonntag ist Muttertag. Eine Freundin hat deshalb eine Einladung erhalten: Ihr Sohn hat im Kindergarten Lieder geübt. Die Mütter sind zum Konzert in den Chindsgi eingeladen, am Donnerstag zwischen 10 und 11 Uhr. Die Einladung ist herzig. Nur nicht für Mütter, die arbeiten wollen – oder müssen.

Die tradierten Rollenbilder gibt es genau so wie Frauen, die weniger karriereorientiert sind als Männer.