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Mehr Biodiversitätsflächen auf den Äckern: Ständerat will 3,5-Prozent-Regel erst 2025 einführen – zum Ärger der Umweltverbände

Lange schien klar: Per Anfang 2024 müssen Landwirte auf ihren Feldern mehr Flächen für die Biodiversität reservieren. Nun könnte sich der Termin wegen eines Parlamentsentscheids um ein Jahr nach hinten verschieben.

Kaum eine andere Bestimmung im landwirtschaftlichen Verordnungspaket 2023 löst im Parlament mehr Widerstand aus: Landwirtinnen und Landwirte sollen auf ihren Äckern mehr Flächen zugunsten der Biodiversität ausscheiden. Wer einen Hof mit mehr als 3 Hektare offener Ackerfläche besitzt, der soll künftig auf mindestens 3,5 Prozent dieser Fläche sogenannte Biodiversitätsförderflächen (BFF) schaffen. Dazu zählen etwa Buntbrachen oder Nützlingsstreifen.

Zuletzt scheiterten mehrere Vorstösse, welche die Anforderung gänzlich streichen wollten. Die Mehrheit der Parlamentarier teilt die Ansicht des Bundesrats, wonach «die BFF auf der Ackerfläche langfristig den Erhalt der für die Produktion essenziellen Ökosystemleistungen unterstützen, damit die Schweizer Landwirtschaft auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln leisten kann».

Wird die Bestimmung erst 2025 eingeführt?

Noch immer umstritten ist allerdings, wann die Bestimmung in Kraft treten soll. Eigentlich hätte dies bereits per Anfang 2023 geschehen sollen. Doch der Bundesrat hat die Einführung der 3,5-Prozent-Regel wegen des Ukraine-Kriegs um ein Jahr verschoben – also auf den 1. Januar 2024. Nun will der Ständerat das Vorhaben um ein weiteres Jahr aufschieben. Er hat am Donnerstag eine Motion von Esther Friedli (SVP/SG) mit 30 zu 9 Stimmen angenommen.

Friedli betonte im Rat, es brauche nun ein Innehalten: «Der Bundesrat sollte mit allen Beteiligten noch einmal über die Bücher gehen.» Schliesslich habe sich gezeigt, dass «die Massnahme und deren Ausführungsbestimmungen schwierig umzusetzen» seien. Das betont auch Nationalrat und Landwirt Martin Haab (SVP/ZH), der in der grossen Kammer eine Motion analog zu Friedli eingereicht hat. Man müsse nun die Notbremse ziehen: «Es sind noch zu viele Punkte unklar. Zum Beispiel muss sorgfältig geprüft werden, inwiefern bereits errichtete Biodiversitätsflächen dem Ziel angerechnet werden können.» Ansonsten könne es sein, dass jene Bauern bestraft würden, die sich bereits ohne Vorgabe für mehr Biodiversität einsetzten.

Der Bundesrat plädierte im Ständerat vergebens dafür, die Vorgabe wie geplant per Anfang 2024 umzusetzen: Es verstosse «gegen Treu und Glauben», wenn die Einführung erneut verschoben würde. Zudem würden dadurch «Betriebe bestraft, die bereits gehandelt haben». Der Bundesrat nehme die Bedenken aus der Praxis ohnehin ernst und werde die Umsetzung der Massnahme im nächsten Jahr evaluieren und «falls notwendig Anpassungen prüfen», bekräftigte Wirtschaftsminister Guy Parmelin in der kleinen Kammer.

Viele haben schon Saatgut gekauft

Der WWF kritisiert den Entscheid des Ständerats scharf: Die Bauernlobby versuche «zum x-ten Mal, diese wichtige Massnahme zu bodigen». Und weiter: «Der Beschluss des Ständerates führt zu unnötigen Unsicherheiten und zu einer berechtigten Unzufriedenheit bei all jenen Landwirtschaftsbetrieben, die sich ohne Probleme auf eine sinnvolle Vorgabe eingestellt haben.» Dabei helfe Biodiversität auf der Ackerfläche den Landwirtschaftsbetrieben ganz direkt bei der Produktion: «Dank den Nützlingen kann der Pestizideinsatz reduziert werden, was auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist.»

Der Umweltverband hofft nun auf den Nationalrat, der das Geschäft in neuer Zusammensetzung in der Wintersession behandelt. Für eine definitive Verschiebung des Einführungsdatums muss auch er dem Ansinnen zustimmen. Derweil verweist das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) darauf, dass sich in der Zwischenzeit schon die meisten Betriebe mit der neuen Anforderung auseinandergesetzt und Biodiversitätsförderflächen eingeplant sowie Saatgut gekauft hätten. Der Entscheid des Ständerats habe «die bereits unternommenen Anstrengungen und die getätigten Investitionen der Bauernbetriebe leider nicht berücksichtigt», so das BLW.