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«Wir zahlen mit unserem teuren Geld, was die Eltern verpasst haben» – Oberentfelden investiert in Frühförderung

An der Gemeindeversammlung kochten die Emotionen beim Thema Frühförderung hoch. Angenommen wurde das Pilotprojekt trotzdem.

Oberentfelden investiert in die Frühförderung und lanciert per kommendem Schuljahr eine Integrationsspielgruppe. Hier sollen Kinder ab zwei Jahren in erster Linie Deutsch lernen, um einen einfacheren Start in den Kindergarten zu haben; Stichwort Chancengleichheit. Das Projekt ist als Pilot auf drei Jahre angelegt, die Kosten betragen jährlich 295’000 Franken (erstes Jahr 211’000 Franken).

Der Gemeinderat hat sich für eine Lösung mit intensiver Begleitung entschieden. Eine Koordinationsperson wird sämtliche Familien (rund 100 Kinder pro Jahrgang) für eine Bedarfsabklärung besuchen. Dabei gehe es nicht nur um die sprachliche, sondern auch um die motorische und soziale Entwicklung, so Gemeinderätin Petra Huckele. Das Projekt spreche also nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund an. «Wir gehen davon aus, dass rund die Hälfte der 100 Kinder das Angebot nutzen wird», so Huckele.

Warum müssen nicht Eltern das Versäumnis verantworten?

So weit, so gut. Doch die 136 Anwesenden – von 4714 – hatten Diskussionsbedarf. Zwar war unbestritten, dass Oberentfelden mit hohem Ausländeranteil vor die grosse Herausforderung gestellt ist, dass gewisse Kinder am ersten Kindsgitag kein Wort Deutsch sprechen. Auch zweifelte niemand an, dass Sprache das A und O bei der Integration ist, und auch nicht, dass ein sprachliches Defizit die ganze Schul- und später auch die Berufskarriere nachteilig prägt. Doch wer ist dafür verantwortlich? Oder: Warum muss die Gemeinde und damit der Steuerzahler für das Versäumnis der Eltern geradestehen?

«Wir zahlen mit unserem teuren Geld, was die Eltern verpasst haben», enervierte sich ein Votant. «Es ist eine grosse Frechheit, wenn Eltern ihre Kinder nicht in unserer Sprache erziehen.» Es brauche zwingend ein Reglement bezüglich Elternbeteiligung; das fanden gleich mehrere. Ein solches werde es geben, so Huckele, doch gehe man davon aus, dass der Bedarf vor allem finanziell schlechter gestellte Familien betreffe. Und nein – auf eine weitere Frage hin –, für eine Steuerfusserhöhung sei dieses Projekt sicher nicht ausschlaggebend.

Ob man denn die Eltern dazu verpflichten könne, ihr Kind in die Spielgruppe zu schicken, wollte jemand wissen. «Wir können Eltern nicht zwingen», sagte Huckele. Aber sie rechne damit, dass alle Eltern das Beste für ihre Kinder wollten. Eine Kindergärtnerin betonte, dass längst nicht nur die Sprache ein Problem sei. «Heute kann ich nicht mehr davon ausgehen, dass jedes Kind schon einmal einen Stift oder eine Schere in der Hand gehalten hat.» Es gehe deshalb bei diesem Projekt um die Förderung in allen Bereichen. Zur Messbarkeit des Erfolgs sagte Huckele, dass man nach drei Jahren sagen könne, ob es weniger Eintritte in Einschulungsklassen oder Sonderschulen gebe. Hier erwarte man auch kurzfristig Einsparungen, langfristig dann in den Bereichen Gesundheit oder Sozialhilfe.

«Fakt ist: Wir müssen alle miteinander versuchen, das System in Balance zu halten. Sonst steigen die Kosten überproportional», sagte Frau Gemeindeammann Yvette Körber. Sie verstehe das Sparbedürfnis, doch habe niemand etwas davon, wenn die Qualität der Schule sinke, weil die Lehrpersonen mit diesen Herausforderungen nicht mehr zurechtkommen. «Wir müssen das Problem angehen, es nützt nichts.» Das Projekt wurde grossmehrheitlich angenommen.