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Ein digitales Pop-Märchen namens Ilira – wieso die Berner Sängerin mit albanischen Wurzeln so erfolgreich ist

Nur Tina Turner und Shania Twain haben bessere Streamingzahlen als sie. Auf den Spuren eines Phänomens.

Fast 3,8 Millionen monatliche Hörer auf Spotify, total über eine halbe Milliarde Streams in über 100 Ländern. Ilira, die 28-jährige Berner Sängerin mit albanischen Wurzeln, wird in der Schweizer Streaming-Hitparade nur von den Superstars Tina Turner und Shania Twain übertroffen. «Meine Musik wird auf der ganzen Welt gestreamt, in der rund um den Erdball verstreuten albanischen Community, aber vor allem in Deutschland, Polen und Grossbritannien», sagt die Sängerin in breitem Berndeutsch.

Ihr phänomenaler Aufstieg klingt wie ein Pop-Märchen. Ein digitales Pop-Märchen, wie es nur das Streaming-Zeitalter schreiben kann: 2018 entdeckte der deutsche Rapper Prinz Pi auf Instagram Video-Schnipsel von Ilira. Zwei Monate später zog die zielstrebige, selbstbewusste Sängerin nach Berlin, unterschrieb beim Label Four Music/Sony und landete mit «Fading» einen Welthit.

Der Song, den sie mit dem Produzenten Alle Farben schrieb, ist allein auf Spotify 117 980 594 Mal gestreamt worden.

Spannend ist auch ihre Familiengeschichte, die nicht den gängigen Albaner-Klischees entspricht. Vater Gashi stammt aus dem Kosovo, die Mutter aus Albanien. 1994 kamen sie in die Schweiz, wo die promovierte Psychologin ihre Ausbildung nachholen musste, weil die Titel nicht anerkannt wurden. Noch im selben Jahr kam Tochter Ilira auf die Welt und besuchte in Niederwangen/Köniz die Schule. Ilira hat ihre Durchsetzungskraft von ihrer Mutter geerbt und wusste schon früh, dass sie Popstar werden wollte. Sie war aufgeweckt, rebellisch und eckte immer wieder an. Sie wechselte mehrere Male das Gymnasium, bevor sie am Goethe-Gymnasium im thüringischen Gera in einer musikbetonten Spezialklasse das Abitur machte.

Im Netz und in Streaming-Portalen findet man ihre wandelbare Stimme, die vier Oktaven meistert, in unzähligen Produktionen des Dance-Genres. Mit DJ Sigala sang sie vor 80000 Leuten im Wembley-Stadion, arbeitete mit Star-DJ Tiësto und Produzenten wie Vize, Gamper & Dadoni und vielen anderen. Darunter sind ansprechende Songs, aber auch viel Wegwerfware von dürftiger Qualität. «Ich mag Dance, aber ich war nicht immer stolz auf diese Produktionen», sagt Ilira selbstkritisch.

Jetzt steht ihre Karriere an einem Wendepunkt

Das Dance-Genre ist lukrativ, international vernetzt, verspricht schnellen Erfolg und viele Streams. «Ich habe so schnell wie möglich von der Musik leben wollen», sagt Ilira. Die Dance-Szene hat ihr das ermöglicht. Heute ist sie in einer komfortablen Situation: Die monatlichen Streams aus dem Dance-Sektor garantieren ihr eine Art Grundeinkommen.

Gleichzeitig kann sie behutsam und ruhig ihre eigene Karriere aufbauen. «Heute ist mir mein eigenes Projekt wichtiger», sagt sie, «schliesslich habe ich als Songschreiberin angefangen und viel Rock gehört. In den letzten Jahren habe ich gar nicht gemacht, was ich selber mochte».

Jetzt hat sie bei Universal unterschrieben, lebt in London, ist aber viel in der Schweiz bei ihren Eltern. Künstlerisch befindet sie sich an einem Wendepunkt. «Ich will nochmals bei Null anfangen und mich einem Stil widmen, der mir gefällt und liegt. Etwas für meine Seele», sagt sie. Erste Eindrücke der neuen Ilira verschafft die Klavier-Ballade «Flowers», der Popsong «Another Heart» oder der gerade erschienene Song «Wishing Well», in dem Phrasierung und Timbre der Stimme stark an Lana del Rey erinnern. Die neuen Songs erreichen nicht die besten Streaming-Werte, umso besser sei das Feedback.

Noch in diesem Jahr soll eine EP mit sieben Songs veröffentlicht werden. Sie will eine eigene Tour und vor allem auch in der Schweiz auftreten. «Ich will mich stärker auf die Schweiz konzentrieren», sagt die neue Ilira, «denn hier kennt man mich noch gar nicht so gut».

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