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Mehr Spielraum bei Waffenexporten: Die heikle Gratwanderung der Politik

Die Rüstungsindustrie macht Druck. Sie will weniger strenge Kriterien für Waffenexporte. Währenddessen ringt eine parlamentarische Initiative darum, wie Ländern wie der Ukraine künftig geholfen werden kann, ohne gegen das Schweizer Neutralitätsrecht zu verstossen.

Für 696,8 Millionen Franken haben Schweizer Unternehmen 2023 Kriegsmaterial exportiert. Im Vorjahr lag die Ausfuhr bei 955 Millionen Franken – höher als jemals zuvor. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) verzeichnet somit ein Minus von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Während das Geschäft in Asien um 23,2 Prozent eingebrochen ist, haben die Exporte in europäische Länder um 25,7 Prozent zugelegt. Der wichtigste Abnehmer von Schweizer Kriegsmaterial ist Deutschland vor Dänemark und den USA.

André Mittmann, stellvertretender Leiter für Exportkontrollen und Sanktionen beim Seco, beurteilt die verringerte Ausfuhr zwar als markant, jedoch nicht als aussergewöhnlich im Langzeitvergleich.

Rüstungsindustrie übt Druck, die Exportregeln zu lockern

Alarmierend reagierte hingegen der Arbeitskreis Sicherheit und Wirtschaft (asuw), das politische Organ der Schweizer Rüstungsindustrie. In einer Mitteilung schreibt er: Nun hätten die verschärften Exportregeln für Kriegsmaterial «ihre schädliche Wirkung voll entfaltet». Das Argument der Rüstungsindustrie ist, dass die Schweiz durch ihre Nichtwiederausfuhr-Erklärung keine zuverlässige Handelspartnerin sei.

2021 nahm das Parlament einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» (Korrektur-Initiative) an. Seither dürfen unter keinen Umständen Schweizer Waffen und Munition an kriegsführende Staaten oder Länder mit internen Konflikten ausgeführt werden – so verlangt es das Neutralitätsrecht. Das Parlament gewährte dem Bundesrat explizit keinen Spielraum, davon abzuweichen.

Eine Mehrheit im Parlament hat nun die Rüstungsindustrie erhört und will das Gesetz wieder lockern. Der Ball liegt aktuell beim Bundesrat, eine Gesetzesänderung auszuarbeiten. Dienen würde diese Lockerung vor allem der Schweizer Rüstungsindustrie. An die Situation in der Ukraine ist sie nicht geknüpft.

«Suchen eine Lösung, die auf die Ukraine zugeschnitten ist»

Anders will es eine parlamentarische Initiative. Diese hat zum Ziel, dass Länder, die Schweizer Waffen und Munition gekauft haben, diese an Länder weiterverkaufen dürfen, sofern der Abnehmerstaat Recht auf Selbstverteidigung geltend machen kann. Priska Seiler Graf, Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, sagt: «Wir suchen eine Lösung, die auf die Ukraine zugeschnitten ist.»

Eine direkte Ausfuhr von Kriegsmaterial an die Ukraine steht neutralitätsrechtlich ausser Frage. Auch eine Frist für die Nichtwiederausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial hält die SP-Nationalrätin für notwendig, damit mit Schweizer Waffen und Munition nicht Import-Export betrieben werde, welcher sich der Kontrolle der Schweiz entziehen würde.

Für die linken Parteien solle die Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes in möglichst engem Rahmen erfolgen, während sich die FDP eine grosszügige Öffnung der Regelung wünsche, so Seiler Graf. Derzeit ringt die Subkommission um die Formulierung eines Gesetzesentwurfs, der sich mit dem Schweizer Neutralitätsrecht vereinbaren lässt.