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«Das ist kein Mandala – aber trotzdem schön»: Das Cirqu‘-Festival führt zu den Ursprüngen des Zirkus

Der Zirkus hat Aarau im Griff. Weltklasse-Artisten und -Artistinnen bespielen Strassen, Plätze und Hallen. Ueli Hirzel ist unter ihnen eine leise Überraschung.

Das Pendel malt einen Kreis in den anderen. Der Sand rieselt aus dem kleinen, schwarzen Sack auf den Boden, das dauert seine Zeit. Von oben betrachtet, schmiegt sich ein «O» in das nächste, konstant und ausdauernd wie beim kollektiven «Om» vor der Yoga-Stunde.

«Sandscapes» heisst das Stück von Zirkusmacher Ueli Hirzel, das offiziell das diesjährige Cirqu‘-Festival eröffnet. Bereits vorab gab es in der Stadt zirzensische Kostproben von Johann Le Guillerm, der in dieser Ausgabe mehrere Produktionen zeigt. Festivalleiter Roman Müller: «Am Cirqu‘ sehen wir grosse Aktionen, der Anfang aber ist klein.» Eine Wertung ist das nicht, vielmehr führt das Eröffnungsstück an die Ursprünge des Zirkus zurück: zum Kreis – zur Manege. Präziser hätte Müller das Eröffnungsstück also nicht wählen können.

Mit dem Rasenmäher durch den Zen-Garten

Eine solche Manege hat Ueli Hirzel nun mit seinem Pendel mitten in die Alte Reithalle gemalt. Mit verschiedenen Besen streift er über den Sand, hinterlässt Spuren fast wie in einem buddhistischen Zen-Garten. Kein artistischer Stunt, keine halsbrecherische Akrobatik ohne Ruhe und Konzentration: Was für Zirkusmacher gilt, lernt heute das Publikum.

Immer wilder werden die Muster, die Hirzel mit Schrubber und Mopp in den Sand skizziert. Aus Wirbel werden Linien, die sich zu ausufernden Schnörkeln winden. «Das ist kein Mandala, aber schön ist es trotzdem», kommentiert Hirzel. Wohin es führt? «Wir werden sehen, das ist schliesslich eine Premiere», sinniert er weiter. Der Zufall malt mit. Bald führt er zwei Besen gleichzeitig – einen links, einen rechts –, als pflüge er mit einem Rasenmäher durch den Zen-Garten.

In der Manege ist alles echt

Ueli Hirzel steht seit den 80er-Jahren in Manegen, liess Zirkusvisionen über Seile tanzen und stolperte über sie als poetischer Clown. Den Kreis für die Manege zeichnet er mit dem Selbstvertrauen eines Messerwerfers, der zum 500. Mal mit der Klinge knapp an der Halsschlagader seiner Frau vorbeizielt. Ursprüngliches Ziel war die Theaterbühne, zum Zirkus fand er, weil: «Nichts ‹als ob›, dafür alles echt ist».

Es ist schlicht schön, Hirzel beim Kreisen zuzusehen, seinen Gedankenkreisen zu folgen. Er zitiert berühmte Philosophen wie Marcel Proust («Auf der Suche nach der verlorenen Zeit») und Mick Jagger («Time Is On My Side») und webt Gedanken aus einer 45-jährigen Theaterkarriere dazwischen. Ja, es mag ein kleiner, leiser Auftakt für das Zirkusfestival sein, doch er lässt tief in die Zirkusseele blicken.