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Ein Kater gerät zwischen zwei Fronten – und löst Todesdrohungen aus: Nachbarn treffen sich vor Gericht wieder

Die Verhandlung vor dem Bezirksgericht Zurzach diese Woche hat für einen grossen Publikumsaufmarsch gesorgt: Anfang Jahr eskalierte ein länger schwelender Konflikt zwischen Nachbarn.

Vor Einzelrichter Cyrill Kramer wird ein Fall von mehrfacher versuchter Nötigung, Drohung, Beschimpfung verhandelt. Keine leichten Vergehen, der Publikumsaufmarsch im Saal des Bezirksgerichts Zurzach könnte allerdings eher auf ein Gewaltdelikt schliessen: Zum klagenden Ehepaar Ehrsam (alle Namen geändert) gesellen sich nebst zwei jüngeren Frauen und einem jungen Mann kein Geringerer als der Gemeindeammann der Ortschaft, an der sich die Taten zugetragen hatten.

Luigi, der Beschuldigte, wird seinerseits von Mutter, Bruder und einer jungen Frau begleitet. Nicht anwesend allerdings ist Kater Pepe, der in der ganzen leidigen Angelegenheit eine zentrale Rolle spielte.

Im Januar dieses Jahres war in einer mittelgrossen Gemeinde im Bezirk ein seit zwölf Monaten bestehender Konflikt zwischen dem 37-jährigen Sozialhilfe-Empfänger und dem Ehepaar Ehrsam – um die 50 und mit akademischem Hintergrund – über Gebühr eskaliert. «Wenn es um seinen Kater Pepe geht, kennt Luigi gar nichts», sagt der einzige Zeuge, ein Wohnungsnachbar des Beklagten, vor dem Richter.

So hatte Luigi denn am Samstagmorgen, 14. Januar morgens, um 5 Uhr auf einer Holzbeige neben der Liegenschaft Ehrsam ein zirka 40 Zentimeter grosses Kruzifix sowie eine weisse Kerze aufgestellt und laut nach Pepe sowie nach Frau Ehrsam gerufen. Sein Geschrei mündete darin, dass er die Haustüre einschlagen und Frau Ehrsam umbringen werde. In den folgenden beiden Nächten wiederholte und konkretisierte Luigi seine Vorhaben dergestalt, dass Frau Ehrsam «die Drohungen ernst nahm und in Angst und Schrecken versetzt wurde. Zudem betitelte er die Geschädigte mit Ausdrücken wie ‹Schlampe›, ‹Hure›», so die Anklage.

Am 16. Januar war Luigi von der Polizei festgenommen worden und vom Zwangsmassnahmengericht mit einem Kontakt- und Rayonverbot gegenüber den Ehrsams sowie einer Suchtmittelabstinenz und der Teilnahme an einer spezifischen Psychotherapie belegt worden. Doch am 27. Januar sprach Luigi von seinem Hauseingang aus eine weitere bedrohliche Nachricht, welche die Ehrsams klar auf sich beziehen mussten, lautstark in sein Handy. Anderntags war Luigi in U-Haft gesetzt und daraus am 31. März unter noch strengeren Weisungen entlassen worden.

Kater Pepe war einige Tage bei den Nachbarn im Haus

Die kurze Befragung der Ehrsams durch den Richter wird auf deren Wunsch per Video zu Luigi übertragen. Frau Ehrsam räumt ein, dass sie Kater Pepe wegen der Kälte ins Haus genommen habe, «so zwei oder drei Tage». Kurioserweise bleibt das Ehepaar, als der Beschuldigte vor Kramer Platz nimmt, im Saal sitzen.

Luigi – Millimeterschnitt, Bart, Jeans und Schweizer Sennenhemd – zeigt sich gesprächig und geläutert. Der Italiener war in einer Stadt in einem anderen Kanton gross geworden. Nach einer abgebrochenen Malerlehre hatte er sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Vor einigen Jahren war er hier in die Region gezogen, hatte unter anderem als Gärtner, Strassenreiniger und auf dem Bau ausgeholfen. «Seit einem Velounfall 2021 sind alle meine Bewerbungen vergeblich.» Inzwischen lebt der 37-Jährige von der Sozialhilfe.

Auf die Frage von Richter Kramer, was er im vergangenen halben Jahr den lieben langen Tag getan habe, druckst Luigi herum, zuckt die Schultern und bleibt schliesslich eine Antwort schuldig. Stolz betont er aber, dass er regelmässig in eine Psychotherapie gehe. «Da lerne ich Emotions-Regulation, also dass ich mich im Griff habe. Und ich lebe seit Monaten komplett abstinent, gehe an keinen Geburtstag, kein Fest, lebe wie im Kloster.» Auf die Bemerkung des Richters, dass Mönche sehr wohl Wein trinken, geht Luigi nicht ein.

Die Verteidigerin setzt sich akribisch mit den Aussagen von Frau Ehrsam gegenüber der Polizei auseinander, die – notabene – zwei Bundesordner füllen. Die Anwältin sieht darin keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe und fordert einen Freispruch. Dem kann der Richter nicht folgen und verurteilt Luigi gemäss Anklage, mildert aber den Strafantrag der Staatsanwältin von acht Monaten Freiheitsstrafe bedingt, 1500 Franken Geldstrafe bedingt und 2000 Franken Busse. «4500 Franken Geldstrafe bedingt und 1200 Franken Busse», so das Verdikt von Cyrill Kramer. Er gehe davon aus, dass das Ganze eine Lehre für Luigi sei und er nicht mehr straffällig werde.