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«Kein rationaler Grund für frühzeitige Stilllegung»: Kritische Stimmen zu den Gasnetz-Plänen der Stadt

Das Gasnetz in Aarau soll sukzessive verkleinert werden. Wann und wo, ist aber noch offen. Ein grosser Teil des Einwohnerrats findet das in Ordnung, es gibt aber auch kritische Stimmen.

Im Juni vor zwei Jahren haben mehrere Einwohnerräte von Grüne, GLP, SP, Pro Aarau, EVP) in einem Postulat gefordert, dass der Stadtrat die Zukunft des Gasnetzes im Stadtgebiet strassenscharf planen soll. «Dabei ist aufzuzeigen, welche Gasleitungen in welchem Jahr stillgelegt werden und welche Gasleitungen allfällig auch nach 2040 bestehen bleiben», heisst es im Vorstoss.

Der Stadtrat hat auf eine strassenscharfe Planung verzichtet. Unter dem Hinweis, man wisse nicht, wie sich der Bedarf, die Technologien und die Kosten in den nächsten Jahrzehnten entwickeln. In der «Wärmestrategie 2050», die die Stadt zusammen mit der Energieversorgerin Eniwa erarbeitet hat, sei festgehalten, «dass im Rahmen der Umsetzung der Zielnetzplanung Fernwärme auch die Auslegung der zukünftigen Gas-Infrastruktur von Eniwa überprüft wird».

Gasnetz um rund einen Viertel verkleinern

Die Zielnetzplanung Gas sei keine statische Planung, bei der schon zum Zeitpunkt der Erarbeitung strassenscharf festgelegt ist, wo das Gasnetz erhalten bleibt und wo es stillgelegt wird, so der Stadtrat. «Vielmehr ist die Zielnetzplanung dynamisch und wird alle zwei Jahre überprüft und alle vier Jahre aktualisiert.» Die aktuelle Planung gehe davon aus, dass das Gasnetz um mindestens rund einen Viertel verkleinert wird. Notwendige Massnahmen an der bestehenden Gas-Infrastruktur würden fallweise analysiert.

Zudem werde geprüft, ob bestehende Gaskunden für einen Umstieg auf die Fernwärme bereit sind. Das Gasnetz spiele auch in Zukunft eine Rolle, «wenn es – mit erneuerbaren Gasen gespeist – Kunden mit Bedarf an Prozesswärme und beispielsweise Liegenschaften im Kern der Aarauer Altstadt mit Wärme versorgen kann.»

«Die SVP ist sich einig, dass es keinen rationalen Grund gibt für die frühzeitige Stilllegung von gut unterhaltener Infrastruktur, die von vielen Endkunden gebraucht wird», so Susanne Heuberger. Rainer Lüscher erklärte, aus Sicht der FDP «braucht es für die Erreichung von Netto-Null bis im Jahr 2050 einen Mix von allen fossilfreien Anwendungen, dazu gehört auch biologisch oder synthetisch hergestelltes Methangas. Die bestehende Gas-Infrastruktur kann bei bidirektionaler Anwendung ein sinnvoller Speicher sein.»

«Wir sind uns alle einig», sagte Petra Ohnsorg (Grüne): «Gas soll künftig nicht mehr für Raumwärme und Warmwasser eingesetzt werden, und das Prozessgas, das man noch brauchen wird, soll zu 100 Prozent Biogas sein.» Diskrepanzen bestünden bezüglich Geschwindigkeit der Umsetzung. Aus der Botschaft des Stadtrats und der Wärmestrategie werde klar, «dass bis jetzt die Rechnung der Eniwa, konkret die Wirtschaftlichkeit der Netzinfrastruktur, den Takt vorgibt.» Aus unternehmerischer Sicht könne sie das nachvollziehen. «Aber mit Blick auf die Klimakrise ist die Priorität nicht richtig und 2050 ein zu langer Zeithorizont.»

«Stranded Assets» nicht vergessen

Alexander Umbricht (GLP) wirft der Eniwa vor, die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen. «Wir sind der Meinung, dass das finanzielle Risiko zu gross ist, für die Stadt Aarau, aber auch für die Gaskonsumentinnen.» Er spricht damit einerseits an, dass es Pflicht der Energieversorgerin ist, eine Stilllegung den betroffenen Kunden mindestens zehn Jahre im Voraus anzukündigen, ansonsten wird die Initiantin der Stilllegung für noch nicht amortisierte Investitionen – Leitungen und Heizsysteme – entschädigungspflichtig.

Andererseits wies Umbricht auf die «stranded Assets», die gestrandeten Vermögenswerte, hin. «Es besteht das Risiko, dass wir – respektive die Eniwa, die uns Dividenden liefert – viel zu lange in ein Netz investiert, dass nicht amortisiert werden kann.» Andere Gasversorger würden jetzt schon auf viel mehr Planungssicherheit pochen. Vizestadtpräsident Werner Schib betonte daraufhin, die Eniwa verfüge über eine «junge Gas-Infrastruktur», deshalb stelle sich die Frage gar nicht. Ein Bedarf für Erneuerungsmassnahmen zeichne sich frühestens ab 2045 ab.

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