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Glarner kritisiert Kanton: «Wenn ich die Schlösser im Haus auswechseln muss, um Flüchtlinge aufzunehmen, ist das lächerlich»

Vor einer Woche kündigte SVP-Nationalrat Andreas Glarner an, er wolle in seinem Haus in Oberwil-Lieli eine Flüchtlingsfamilie aus der Ukraine aufnehmen. Macht er es auch wirklich? Er wolle «privat, ganz ohne Staat» eine Familie aufnehmen, weigert sich aber, sich bei einer Flüchtlingsorganisation zu registrieren.

«Die Menschen, die jetzt die Ukraine verlassen, flüchten vor einem Krieg. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, ihnen zu helfen. Ich bin bereit, bei mir privat eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen.» Das sagte SVP-Nationalrat Glarner vor einer Woche in der AZ. Die Aussage überraschte, weil er sich in den letzten Jahren als Hardliner im Asylwesen profiliert hat. Inzwischen sind bereits mehr als 5200 Ukraine-Flüchtlinge in der Schweiz registriert worden, der zuständige Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati (SVP) rechnet mit bis zu 20’000 Menschen, die im Kanton untergebracht werden müssen.

Dafür würden die Kapazitäten der Unterkünfte von Bund, Kanton und Gemeinden im Aargau bei weitem nicht ausreichen – auch wenn das Bundesasylzentrum in Brugg mit 220 Plätzen belegt wird, der Kanton die Unterkunft im A3-Werkhof Frick wieder eröffnet und Gemeinden ihre freien Plätze melden müssen. Gallati sagte im AZ-Interview, ohne Privatpersonen, die Flüchtlinge aufnehmen, gehe es nicht.

Ob sich sein Parteikollege dafür schon gemeldet hatte, wusste Gallati am Montag noch nicht. Glarner könne über das Portal des Departementes (www.ag.ch/ukraine) zuerst einen Fragekatalog ausfüllen, um Kernfragen zu beantworten, ob er auch geeignet sei dafür, sagte der Regierungsrat. Dabei gehe es zum Beispiel darum, ob eine Person genügend Zeit habe, um sich um Flüchtlinge zu kümmern, oder ob deren Privatsphäre gewährleistet sei.

Glarner will sich nicht registrieren und kritisiert Vorgaben des Kantons

Macht Glarner mit seiner Ankündigung nun auch wirklich ernst? Auf Nachfrage der AZ sagte er nun am Dienstag, er stehe in Kontakt mit einer Ukrainerin, die in der Schweiz wohne und ihre Verwandten aus dem Kriegsgebiet hierher holen wolle.

«Ich habe ihr angeboten, ihre Familie bei mir aufzunehmen, ganz privat und ohne Staat.»

Glarner sagt weiter, er werde sich «sicher nicht bei linken Organisationen wie Campax oder der Flüchtlingshilfe registrieren», die Privatpersonen für die Aufnahme erfassen. Zudem sei ihm die Bürokratie des Kantons zuwider. «Wenn ich jetzt noch die Schlösser in meinem Haus auswechseln muss, damit die Vorgaben erfüllt sind, ist das lächerlich.»

Glarner sagt weiter, er engagiere sich unabhängig von der Frage einer privaten Flüchtlingsaufnahme für die Betroffenen. Soeben habe er eine grössere Zahl elektrischer Heizöfen bestellt, die mit einem humanitären Transport in die Ukraine gebracht würden. Zudem spreche Annemarie Hofer, die Präsidentin der SVP Oberwil-Lieli, gut russisch und könnte Flüchtlinge im Dorf allenfalls unterstützen.