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«Luege, lose, laufe»: Wie verhält man sich richtig, wenn Kinder den Fussgängerstreifen überqueren?

Oft halten Autofahrer am Fussgängerstreifen nicht an und fahren hinten den Kindern vorbei, obwohl diese noch darauf stehen. Wie gefährlich ist, wenn man beim Fussgängerstreifen nicht wartet, bis das Kind auf dem Trottoir ist und wann macht man sich strafbar? Wir gingen der Frage nach. 

«Luege, lose, laufe.» Mathias sagt diesen Spruch fast schon mantrisch auf, wenn er sich mit seinen beiden Kindern vor dem Zebrastreifen befindet. Die Kinder sind dabei mehr oder weniger aufmerksam. Zu viel passiert auf der viel befahrenen Strasse. Ein Auto nähert sich und hält an. Die Kinder überqueren die Strasse. Als sie fast beim Trottoir sind, hat eines von ihnen einen Trotzanfall und bleibt schreiend stehen. Matthias versucht, ihn wegzuziehen. Die Szene dauert ein paar Sekunden. Der Autofahrer wird ungeduldig und fährt hinten an ihnen vorbei.

Diese Situation kennen viele Eltern nur zu gut. Der Trotzanfall im falschen Moment und der ungeduldige Autofahrer, der hinten vorbeifährt. Dies ist nicht nur rücksichtslos, sondern auch ziemlich gefährlich. Kinder können plötzlich stehen bleiben, umfallen oder zurücklaufen. Daher empfiehlt es sich: Halten Sie vollständig an und warten Sie, bis alle den Fussgängertreifen verlassen haben.

Doch wie strafbar macht man sich als Autofahrer in dieser Situation? «Die Gesetzlage ist hier nicht ganz so klar, wie man es sich wünschen würde», sagt Rechtsanwalt Dominik Brändli. «In dem Moment, wo ein Autofahrer dem Fussgänger den Vortritt gewährt, darf er erst dann weiterfahren, wenn der Fussgänger sein Vortrittsrecht gefahrlos ausüben konnte. Sprich, wenn der Fussgänger den Fussgängerstreifen bereits soweit überquert hat, dass er durch ein Vorbeifahren nicht mehr gefährdet wird», so Brändli weiter. Zurollen darf man als Autofahrer nur bei nicht gefährdeten Personen.

Vollständiges Anhalten ist bei Kindern ein Muss.
Screenshot: fussverkehr.ch

Bei Kindern gilt eine noch höhere Fürsorgepflicht als bei allen anderen Fussgängern. «Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand der Autofahrer, wenn Kindern involviert sind», sagt Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau. Sollte jemand mal nicht anhalten und die Polizei sieht das, wird der Autofahrer verwarnt. Laut Graser hat sich das bewährt. Sollte dieser bereits mehrmals gegen das Strassenverkehrsgesetz verstossen haben, wird eine Busse ausgesprochen.

Die Kennzeichennummer bei der Polizei melden, bringt meistens nicht viel, denn dann steht Aussage gegen Aussage. Das resultiert für den Klagenden meistens nur in einem: Kopfschmerzen. Sollte aber das Kind angefahren werden, weil man nicht gewartet hat, sieht die Sache wieder anders aus. Hierbei spricht man dann nicht nur von einem Verstoss gegen das Strassenverkehrsgesetz, sondern bereits von fahrlässiger Körperverletzung.

Mit Sachbeschädigung am Auto macht man sich selber strafbar

Der Autofahrer wurde ungeduldig und ist hinter Matthias und seinen zwei Kindern vorbeigefahren. Der Vater tritt wütend gegen das Auto. Macht er sich damit strafbar? «Auch wenn es als Elternteil nachvollziehbar ist, sollte man es lassen, so zu reagieren», sagt Rechtsanwalt Dominik Brändli.

Man macht sich in der Regel strafbar, wenn es zum Beispiel zu einer Sachbeschädigung kommt oder wenn der Autofahrer aus Schreck eine Vollbremsung macht und es zu einer Auffahrkollision kommt. Aber auch, wenn man zum Beispiel einen Seitenspiegel beschädigt und damit die Fahrsicherheit beeinträchtig wird, macht man sich strafbar.

Sollte man aber gegen die Scheibe klopfen, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich das Kind noch auf der Fahrbahn befindet, gilt das dann bereits wieder als Notwehr. «Man muss jeden Fall individuell betrachten. Handelt jemand aus nachvollziehbaren und emotionalen Gründen, wie etwa die eigenen Kinder, kann die Strafe etwas milder ausfallen», so Brändli weiter. Eine Strafmilderung gibt es auch, wenn zum Beispiel eine Provokation im Spiel war.

Mehr Unfälle auf Fussgängerstreifen?

Blickt man auf die Unfallstatistik der Sektion Verkehrssicherheit des Kanton Aargau, zeigt diese auf, dass die Unfälle auf Fussgängerstreifen in den letzten Jahren nicht zugenommen haben. Wie die Sektion Verkehrssicherheit auf Anfrage schreibt, wurden bei durchschnittlich 60 Unfällen auf Fussgängerstreifen pro Jahr keine Zunahme von Unfällen registriert.

Auch nach Altersgruppe gibt es keinen erkennbaren Aufwärtstrend. In den Kategorien 0- bis 4-Jährig und 5- bis 9-Jährig kann man gar von einer Abnahme der Unfälle auf Fussgängerstreifen sprechen. Einzig bei den 10- bis 14-Jährigen gab es in den letzten drei Jahren eine leichte Zunahme.

Alle wichtigen Informationen zum richtigen Verhalten mit Kindern im Strassenverkehr können sie hier nachlesen: Kinder in Strassenverkehr.